Hirndoping: Leistungssteigerung dank Pillen

Hirndoping: Leistungssteigerung dank Pillen
Den Menschen an den Wettbewerb anpassen – das ist das Ziel von "Neuro-Enhancement". Doch ob es möglich ist, die Gehirnleistung zu optimieren, ist nicht belegt.

Kaffee war gestern und Mate-Tee ist vielen einfach zu mau. Wie wäre es dann mit Hirndoping aus dem Medikamentenschrank?

Glaubt man Medienberichten, soll es einen regelrechten Boom beim Einwerfen von leistungssteigernden Substanzen geben – vor allem im Land er unbegrenzten Möglichkeiten.

Aber stimmt das überhaupt?

Diese Frage stellten sich europäische Wissenschaftler und starteten ein Forschungsprojekt: NERRI (Neuro-Enhancement: Responsible Research and Innovation, siehe auch unten) hat sich zwischen 2013 und 2016 mit den gesellschaftlichen Einstellungen zu Mitteln und Methoden geistiger Leistungssteigerung in der EU befasst. Jürgen Hampel, Soziologe an der Universität Stuttgart und am Projekt beteiligt, nennt es "eine Phantomdebatte". Denn es gibt kaum Daten, wie viele Leute Gehirndoping-Pillen nehmen. Weiters gibt es keine neuen Medikamente, sondern nur wohlbekannte Wirkstoffe, die seit Jahrzehnten auf dem Markt sind. Beispielsweise Ritalin oder Drogen wie Amphetamin (Speed). Und man weiß eigentlich gar nicht, was die Medikamente, die für Kranke entwickelt wurden, im Gehirn von Gesunden machen. Das mit der Leistungssteigerung ist nämlich nicht belegt.

Gesellschaftlicher Wandel

Das optimierte Gehirn ist vorerst also eine Illusion. Was sich allerdings sehr wohl zeigt, ist ein gewisses gesellschaftliches Unbehagen, diagnostizieren die NERRI-Forscher: Steigende berufliche Anforderungen befeuern das Thema. "Wir wollen heutzutage nicht Glück, Zufriedenheit und Lebensqualität, sondern Leistungssteigerung", sagt Petra Schaper-Rinkel vom Austrian Institute of Technology (AIT), einer der in Österreich beteiligten Einrichtungen. "Das verweist auf einen fundamentalen gesellschaftlichen Wandel. Der Mensch muss an den Wettbewerb angepasst werden."

Ob das überhaupt möglich ist, hat die Neurowissenschaftlerin Ilina Singh von der Oxford University untersucht. Ihr Befund, gültig für angehende britische Akademiker: Lediglich zehn Prozent der befragten Studenten gaben an, bereits einmal Gehirndoping betrieben zu haben. Weniger als ein Prozent erklärte, das regelmäßig zu tun, einfach weil z. B. Ritalin nicht so leicht zu bekommen ist. Das Medikament wird u. a. zur Behandlung von Personen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) eingesetzt. Studien zu Ritalin zeigen aber, dass manche zwar das Gefühl haben, mehr zu leisten, die Fehlerquote allerdings steigt. Singhs Fazit – übrigens gestützt durch einen Selbstversuch: "Smartdrugs machen dich nicht smarter."

Traum und Albtraum

"Leistungssteigerung durch ,Gehirndoping‘ – Chance oder Fluch?" ist auch der Titel einer Diskussionsveranstaltung des Alumni Clubs (Absolventenvereins) der MedUni Wien am Mittwoch, 2. 3., 18 Uhr im Van-Swieten-Saal der MedUni (www.alumni-club.meduniwien.ac.at). Forscher fordern jedenfalls eine öffentliche Diskussion zu der Thematik: Denn "die Anforderung, nahezu grenzenlos belastbar zu sein, intellektuelle Höchstleistungen zu erbringen und permanenter Erfolgsdruck prägen zunehmend unseren Arbeitsalltag".

Unter Neuro-Enhancement versteht man die Einnahme aller Arten von psychotropen (die Psyche beeinflussenden) Substanzen durch Gesunde mit dem Ziel, Konzentration, Wachheit oder Gedächtnisleistungen zu erhöhen. Dagegen meint der Begriff Hirndoping die missbräuchliche Einnahme von rezeptpflichtigen Medikamenten (z. B. Amphetamine) und illegalen Drogen zum Zwecke der Psychostimulation. Das birgt alle Risiken und Nebenwirkungen einer Drogenabhängigkeit

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