Wie alte Menschen lange eigenständig bleiben
"Hier heißt es nicht, ,jetzt nehmen Sie einmal diese Pulver und dann kommen Sie in einem Monat wieder‘", sagt Frau Bella K., 90: "Hier werden meine gesundheitlichen Probleme im Detail besprochen und ich bekomme einen Leitfaden, wie ich damit umgehen soll. Hier habe ich wirklich das Gefühl, dass man zu einem Team geht, das sich um alles kümmert."
Seit September kommt Frau K. zu "mein Gesundheitsteam", eine spezielle "Ordination für Innere Medizin & Geriatrie" in Wien 15.
Tanja Colella, Allgemeinmedizinerin und Internistin (mit dem Zusatzfach Geriatrie) arbeitet hier eng mit Tanja Strehblow (diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Lebens- und Sozialberaterin) sowie Fabian Fritzlar (ebenfalls diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger) zusammen. Einer ihrer Schwerpunkte: Die umfassende Betreuung älterer Menschen.
Zeit und Geduld
"Wir wollen verhindern, dass betagte Menschen frühzeitig in eine Langzeit-Pflegeeinrichtung kommen oder von zuhause aus immer wieder in einem Spital aufgenommen werden", sagt Colella. "Unser Ziel ist, dass die Patienten spät oder gar nicht ihre gewohnte Umgebung verlassen müssen." Das aber brauche Geduld: "Und da ist eine Kassenordination rasch am Ende, deshalb arbeiten wir als Wahlärzte. Nur so können wir auf alle Anliegen der Patienten eingehen." Und man beziehe auch die Familie ein – etwa mit Pflege- und Hilfsmittelberatung für Patienten und Angehörige: "In Pflegeeinrichtungen bleibt für die Familie oft wenig Zeit."
Egal ob Diabeteseinstellung, Wundversorgung oder das Reden über Ängste: "Wenn wir uns Zeit nehmen können, erhöht das bei den Patienten das Verständnis für verschriebene Therapien – und damit für deren Erfolg. Ausführlich zu reden ist besser als einfach nur Medikamente zu verordnen."
Es fehle im herkömmlichen Ordinationsbetrieb die psychosoziale Beratung, sagt Tanja Strehblow – für Patienten wie für Angehörige: "Das Auseinandersetzen mit der Vergänglichkeit durch den Tod von Freunden etwa, das Reden über die Belastung durch die Pflege, das Verarbeiten einer Diagnose."
Die falschen Medikamente
Ein großes Thema ist das Medikamentenmanagement: "Viele Patienten, die das erste Mal kommen, nehmen zehn Medikamente und mehr – manche davon, etwa Bluttdruck- Entwässerungsmittel oder Magenschoner, ohne es zu wissen auch doppelt – weil unterschiedliche Ärzte denselben Wirkstoff mit zwei verschiedenen Packungsnamen verschrieben haben." Colella kontrolliert – oft als erste Ärztin – die Medikamentenliste. Mit intensiver Beratung sei es häufig möglich, die Medikamentenzahl zu reduzieren und die Bereitschaft zur Einnahme zu erhöhen. "Ich sehe etwa sehr oft, dass Patienten die falschen Schmerzmittel bekommen – und die noch dazu in einer zu geringen Dosierung." Gerade bei Schmerzmitteln sei die Aufklärung und die regelmäßige Kontrolle von Dosierung, Blutwerten und Nierenfunktion sehr wichtig.
Weniger oft ins Spital
Oft würden Patienten für eine Schmerztherapie im Krankenhaus aufgenommen, "das muss in 99 Prozent der Fälle nicht sein", sagt Colella: "Eine gute Schmerzmitteleinstellung kann, vielfach in Kombination mit Physiotherapie, die Medikamentenmenge reduzieren. Wenn wir Spitalsaufenthalte verhindern, ersparen wir den Patienten viele Probleme, wie vermehrte Infektionen oder ein erhöhtes Sturzrisiko."
Colella erzählt von einer Patientin, die immer wieder wegen Schwindel und hohem Blutdruck die Rettung gerufen hat – und im Spital aufgenommen wurde. "Wir haben ausführlich mit ihr gesprochen, ihr genau erklärt, welches Medikament sie zusätzlich nehmen muss, wenn der Blutdruck wieder steigt, und wir haben sie auch psychisch gestärkt. Wir haben ihr ein Kochrezept für zuhause mitgegeben." Seit einem Monat hatte sie jetzt keine Aufnahme mehr, erzählt Strehblow: "Wir haben sie zur Expertin für ihre Krankheit gemacht. Damit haben wir ihr geholfen und dem Gesundheitssystem Spitalsaufnahmen und Untersuchungen erspart."
Internistin und Geriaterin Tanja Colella betont, dass man ihr Zentrum aber nicht mit einem der neuen „Primary-Health-Care“- Zentren vergleichen könne: „Diese haben Kassenverträge und sehr lange Öffnungszeiten, dadurch wechselnde Ärzte als Ansprechpersonen und auch ein knappes Zeitbudget pro Patient. Aber gerade bei älteren Menschen ist es wichtig, dass sie Vertrauen fassen – und das ist nur mit gleichbleibenden Ansprechpersonen möglich.“
Info: Zentrum für Ältere und Berufstätige
Neben älteren Patienten will man auch Berufstätige ansprechen, die viele Untersuchungen unter einem Dach bekommen.
„mein Gesundheitsteam“, 1150 Wien, Gablenzgasse 25 01 / 890 07 74
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