Neue Erkenntnisse über den ersten Menschen im Hochgebirge

In der tibetischen Hochebene lebte der Denisova-Mensch.
Forscher entdeckten Unterkiefer eines Denisova-Menschen im tibetischen Hochland Unser Vorfahre lebt in meodernen Menschen fort.

Mitten in einer Eiszeit muss das tibetische Hochland eine unwirtliche Gegend gewesen sein. Die Lebensbedingungen waren wohl um einiges härter als heute. Und dennoch haben Menschen vor 160.000 Jahren dort gelebt – genauer gesagt Denisova-Menschen, also Cousins von Neandertaler und Homo sapiens.

Halber Unterkiefer reicht für Erforschung

Woher man das weiß? Es ist ein halber Unterkiefer, aus dem die Forscher ganz viel herauslesen können. Im konkreten Fall sind es Experten der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, die mit dem Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig zusammenarbeiten. Auch die Österreicherin Stefanie Stelzer war Teil des Teams.

Kleine Sensation

Für die Wissenschaft ist dieser kleine Knochen eine kleine Sensation, wie Frido Welker vom MPI erzählt. Denn aus ihm lassen sich etwa Schlüsse über die geografische Verbreitung dieser Menschenart ziehen: „Der Denisova-Mensch war auf dem tibetischen Plateau wahrscheinlich einige Zeit präsent.“ Was lapidar klingt, ist für die Forschung spannend, weil „der Unterkiefer der erste Fund eines Denisova-Fossils außerhalb der Höhle im Altai-Gebirge in Süd-Sibirien ist. Dort wurde bisher das einzige Fossil eines Denisova entdeckt,“ erläutert Welker.

Neue Erkenntnisse über den ersten Menschen  im Hochgebirge

Ein halber Unterkiefer reicht zur Erforschung.

Weiter verbreitet als gedacht

Ursprünglich dachten die Forscher damals, dass es sich in Sibirien um Neandertaler-Knochen gehandelt hätte. Erst als das Team um Svante Pääbo (MPI Leipzig) im Jahr das 2010 das Genom eines Fingerknochens sequenziert hatte, stellten die Forscher fest, dass dieser zu einer Gruppe von Frühmenschen gehört. Diese waren zwar mit dem Neandertaler verwandt, aber unterschieden sich von ihm. Es ist also noch gar nicht so lange her, dass wir von der Existenz des Denisova wissen.

Denisova-DNA bei heutigen Asiaten

Verbreitet war unser naher Verwandter wohl in großen Teilen Asiens – und er lebt im modernen Menschen bis heute fort: „Spuren von Denisova-DNA sind im Erbgut heute lebender asiatischer, australischer und melanesischer Populationen zu finden, was darauf hindeutet, dass diese Menschenform einst weit verbreitet gewesen sein könnte“, sagt Jean-Jacques Hublin, Direktor der Abteilung für Humanevolution am MPI.

 

Ältester Tibeter

Für seinen Kollegen Fahu Chen von der chinesischen Akademie der Wissenschaften ist der Fund deshalb so etwas Besonderes, „weil es wohl das älteste Fossil eines Hominiden im Hochland von Tibet ist.“ Im Klartext: Bevor der Homo sapiens das Gebiet besiedelte, war sein Cousin schon lange dort.

Auf KURIER-Anfrage erläutert Frido Welker: „Die Denisovaner passten sich wahrscheinlich an die Lebensumstände in großer Höhe an und gaben diese Fähigkeit später an den modernen Menschen weiter, der in der Region lebte.“ Und weil diese Genvariante einen Überlebensvorteil brachte, wurde sie auch weitervererbt. Positive Selektion nennen das die Evolutionsbiologen.

1980 in einer Höhle gefunden

Gefunden wurde der Unterkiefer übrigens bereits im Jahr 1980 in der Baishiya- Karst-Höhle in Xiahe (Tibet) von einem Mönch. Der schenkte den Knochen dem 6. lebenden Gung-Thang Buddha, der ihn dann an die Lanzhou University weitergab. In der Folge untersuchten Fahu Chen und sein Kollege Dongju Zhang diese Höhle.

Neue Erkenntnisse über den ersten Menschen  im Hochgebirge

Untersuchung der Höhle

Weil das Leipziger Institut auf dem Gebiet der Humanevolution weltweit tonangebend ist, arbeiten die Chinesen seit 2016 mit ihm zusammen.

Das Besondere: Den Forschern gelang es zwar nicht, DNA-Spuren im Fossil zu finden, dafür aber Proteine aus den Backenzähnen zu gewinnen. Diese sind robuster und degradieren deshalb auch langsamer. So konnten die Forscher eindeutig feststellen, dass der Kiefer von einem Denisovaner stammt. Dass das Fossil mindestens 160.000 Jahre alt sein muss, belegt die Uran-Thorium-Datierung einer Kalkkruste auf dem Kiefer.

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