Nach Masern-Alarm: Impfpflicht für Spitalsmitarbeiter

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Experten fordern eine österreichweit einheitliche Impfregelung für Gesundheitsberufe.

Die Zahlen sind alarmierend: Im ersten Halbjahr 2018 erkrankten in Europa mehr als 41.000 Kinder und Erwachsene an Masern. Das sind fast doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2017 und rund achtmal so viele wie 2016. 37 Todesfälle wurden registriert. In Österreich gab es 2018 bisher 62 Masern-Fälle. Im gesamten Jahr 2017 waren es 95. Auffällig hierzulande: 16 Prozent der heuer Infizierten sind in Gesundheitsberufen tätig.

Für Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien, sind nicht nur diese einzelnen Krankheitsfälle vermeidbar. Durch ihren Beruf infizieren sie potenziell weitere Menschen, die möglicherweise ohnehin geschwächt sind. „Wer im Gesundheitswesen arbeitet und nicht geimpft ist, kann enorm viel anrichten. Impfen sollte, wenn ich mit vielen Menschen in Kontakt komme, als Solidarakt gesehen werden“, sagt Wiedermann-Schmidt. Gemeint sind etwa Ärzte und Pflegepersonal, Hebammen, Krankenpflegeschüler, Medizinstudenten, Laborpersonal bis hin zu Reinigungskräften im Krankenhaus und im niedergelassenen Bereich.

Welches mögliche Risiko eine Infektion von Gesundheitspersonal birgt, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2015: Eine Krankenpflegeschülerin erkrankte an Masern. In der Zeit, in der sie andere anstecken konnte, hatte sie mit bis zu 170 Kindern aus mehreren Bundesländern Kontakt. Bis auf eines verfügten alle über einen Impfschutz.

Nach Masern-Alarm: Impfpflicht für Spitalsmitarbeiter

Keine Pflicht

Eine Impfpflicht für Personen, die in Gesundheitsberufen tätig sind, besteht in Österreich aber nicht. Seit 2012 werden für sie vom Gesundheitsministerium acht Impfungen empfohlen: die Kombinationsschutzimpfung gegen Diphtherie, Tetanus, Kinderlähmung und Keuchhusten, jene gegen Masern-Mumps-Röteln, Varizellen (Anm.: eine Infektion führt zu Windpocken), Influenza, Hepatitis A, Hepatitis B, Meningokokken und Pneumokokken. Je nach Impfung sind in den Empfehlungen die Berufsgruppen sowie ihr jeweiliges Risiko aufgeschlüsselt. Die Impfungen erfolgen aber freiwillig – oder eben nicht, wie dies bei Influenza meist der Fall ist. Trotz durchschnittlich 1300 Grippetoten jährlich, liegt die Durchimpfungsrate in Österreich sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch bei Gesundheitspersonal unter zehn Prozent. Daten zeigen aber: Mehr als 20 Prozent aller im Gesundheitswesen Tätigen infizieren sich mit dem Influenza-Virus. Auch wenn es bei den meisten nur zu milden Verläufen kommt, sind sie ansteckend.

Vorreiter Steiermark

In der Steiermark ist seit Anfang des Jahres eine Novelle in Kraft, die vorsieht, dass in bestimmten Bereichen nur Menschen beschäftigt werden können, die über einen entsprechenden Impfstatus verfügen. „Mitarbeiter, die neu aufgenommen werden, müssen eine Basisimmunisierung nachweisen, entweder mittels Impfnachweis oder via Antikörperbestimmungen. Das heißt: Jeder, der neu beginnt, verfügt über die erforderlichen Impfungen“, sagt Klaus Vander, ärztlicher Direktor des Instituts für Krankenhaushygiene in der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes). Das gilt für alle Berufsgruppen, die mit Patienten zu tun haben, auch für Studenten, Zivildiener und Praktikanten. Jene, die bereits angestellt sind und in Risikobereichen arbeiten, müssen ebenso Impfungen nachweisen. „Die Erfahrungen bisher sind sehr positiv. Wir erleben einen nahezu 100-prozentigen Konsens, auch durch Information und Aufklärung“, meint Vander. Die Impfkosten werden von der KAGes übernommen.

Einheitliche Regelung

Auch im AKH Wien sind die empfohlenen Impfungen kostenlos. „Mitarbeiter werden immer wieder auf Impfaktionen hingewiesen. Die meisten sind sehr bemüht, weil sie wissen, dass es wirklich notwendig ist“, sagt Elisabeth Presterl, Leiterin der Uniklinik für Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle an der MedUni Wien und des AKH Wien. Bei jenen, die bereits angestellt sind, wird laut Presterl auf Information und Freiwilligkeit gesetzt. Das gilt auch in den weiteren Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbunds KAV.

Eine österreichweite einheitliche Impfregelung für Gesundheitspersonal, wie sie etwa Ursula Wiedermann-Schmidt fordert, ist derzeit nicht geplant. Das Regierungsprogramm sieht ein Forcieren von Impfungen vor allem für Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, vor. Derzeit wird im Ministerium diskutiert, wie dies am besten umgesetzt werden kann. Für Ursula Wiedermann-Schmidt wäre ein Teilschritt der elektronische Impfpass. Mit diesem könnten Impfungen besser erfasst werden. „Wünschenswert wäre ein einheitliches Programm für verpflichtende Impfungen, das auch den niedergelassenen Bereich umfasst. Es darf auch in Ordinationen nicht passieren, dass sich Patienten und Personal gegenseitig anstecken“, sagt Wiedermann-Schmidt.

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