Mythos Räuchern

Ob ganz klassisch mit Weihrauch in den traditionellen Raunächten oder mit Wacholder, Rosmarin, Thujen oder Misteln – räuchern liegt im Trend.
Rituale wie das Räuchern finden in unserer schnelllebigen Zeit neue Anhänger.

Reinigung, Abschließen, Erneuerung: gerade in Zeiten des Übergangs zwischen altem und neuem Jahr greifen die Menschen wieder vermehrt auf lange vernachlässigte Rituale zurück, die in einer schnelllebigen Zeit mit vielen Unsicherheiten ein wenig Halt geben sollen. Denn ob ganz klassisch mit Weihrauch in den traditionellen Raunächten oder mit Wacholder, Rosmarin, Thujen oder Misteln – räuchern liegt im Trend.

Besonders die dunklen Wintermonate gelten als eine der Haupt-Räucherzeiten des Jahres. "Sie dienen der Innenschau, der Meditation und dem Rückzug", sagt die Phytotherapeutin Hilla Hatzfeld aus dem Bezirk Melk, NÖ. Es gehe darum, das alte Jahr loszulassen und gereinigt ins neue Jahr zu kommen.

Rituale bei Veränderung

Viele dieser Räucherrituale sind in unserem Kulturkreis mit bäuerlichen Strukturen verbunden. Barbara und Hans Haider, die in Salzburg einen alten Bergbauernhof bewirtschaften, sehen ein Grund dafür in der bäuerlichen Arbeits- und Lebensweise. "Bauern mussten sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen, sich einer neuen Zeit anpassen und alte Strukturen modernisieren. Das ist vielleicht der Grund dafür, dass einige Räucherrituale und Heilanwendungen bis heute gepflegt werden."

Die beiden Bio-Bauern beschäftigen sich seit 15 Jahren intensiv mit Räuchertechniken und -materialien. Auslöser war die schlechte Wohnatmosphäre, die sie nach dem Kauf ihres aus dem 15. Jahrhundert stammenden Hofs vorfanden. Sie folgten dem Rat einer Freundin und räucherten die Räume mit Kräutern wie Beifuß aus. Er wird in vielen Kulturen für Reinigungsrituale – zu denen übrigens auch der normale Hausputz zählt – und Neubeginne eingesetzt. "Wir haben einige Male geräuchert, bis wir uns in unseren vier Wänden wohlgefühlt haben."

Die Wirkung vieler Kräuter und Harze lässt sich heute auch wissenschaftlich erklären. Räucherrituale wirken nicht allein über den Geruchssinn auf das Wohlbefinden. Sondern über das limbische System, in dem das Gehirn Emotionen und Sinnesreize verarbeitet, sogar auf das Langzeitgedächtnis. Durch das Verbrennen gelangen die Wirkstoffe der Pflanzen aber auch in die Luft, werden eingeatmet und gelangen in den Blutkreislauf.

Weihrauch

Dass Weihrauch seit Jahrhunderten als Räucherwerk eingesetzt wird, hat aber auch medizinische Gründe, bestätigen neuere Untersuchungen. Inhaltsstoffe wirken desinfizierend, entzündungshemmend und keimtötend – und das erklärt wiederum, warum er früher am Land zum Reinigen von Häusern und Ställen genutzt wurde. Hans Haider erinnert sich noch an die Rituale seiner Großmutter. Sie räucherte etwa im Herbst, wenn die Kühe von den Weiden zurückgetrieben wurden, regelmäßig mit Weihrauch und dem ebenfalls desinfizierend wirkenden Wacholder.

Pflanzen wurden schon seit jeher spezifische Eigenschaften zugeschrieben. Ebenso reinigend wie Wacholder wirkt zu Jahresbeginn laut Hilla Hatzfeld etwa Holunder, Rosmarin fördert die Konzentration. Thuje unterstützt dafür die Innenschau. Die Mistel steht für Schutz und Liebe.

Mythos Räuchern
Servus Verlag
Krankenschwester Karin Svoboda aus dem Bezirk Amstetten nutzt die Vorzüge von Räucherwerk überhaupt im Großteil des Jahres. Sie heizt ihr Räucherstövchen und -sieb fünf Mal pro Woche an – "zur Reinigung, zur Entspannung und zum Runterkommen nach meiner Arbeit am Klinikum".

Buchtipp: Barbara und Hans Haider, Räuchern mit Kräutern und Harzen, Servus Verlag

Hinweise auf Räucherzeremonien finden sich schon bei Kelten oder Babyloniern. Was bis in die Jetztzeit blieb: Als Räucherwerk dienen Kräuter, Gehölze, Harze oder Vielstoffgemische.

China

Dort ist die Moxibustion seit Jahrtausenden ein fester Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Gleichzeitig wärmend und räuchernd, dient sie der Stimulierung bestimmter Akupunkturpunkte. Verwendet wird dafür Moxakraut, das mit dem Beifuß verwandt ist.

Japan

Die sogenannte "ko do"-Zeremonie gilt als der "Weg des Duftes" und ist eine der drei klassischen japanischen Künste. Die Tee-Zeremonie und die Kunst, Blumenarrangements zu binden (Ikebana), sind aber wesentlich besser bekannt. Beim Ritual verdampfen die Duftstoffe ohne Rauch auf einer Metallplatte. Das soll körperlich und psychisch stärken.

Tibet

Ein wichtiger Teil der Traditionellen Tibetischen Medizin ist die äußere Behandlung in Form von Räuchern. Wichtiger sind jedoch Ernährung und Verhalten.

Indien

Auch am Subkontinent ist das Räuchern fixer Bestandteil der Kultur. Bei Verbrennungen aus Anlass von Begräbnissen werden traditionell Duftstoffe, Hölzer und Harze verwendet.

Amerika

Bei vielen Indianervölkern gehört Räuchern zu fixen Reinigungsritualen. Das Verbrennen von "Kraftpflanzen" soll auch den engen Kontakt zu "Mutter Erde" verdeutlichen.

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