Multiple Sklerose „in Schach halten“

Multiple Sklerose „in Schach halten“
Moderne Therapien verlangsamen das Fortschreiten von MS. Bei einem Teil der Patienten können sie es zur Gänze stoppen.

Ein normales Leben führen – das können heute viele Patienten mit Multipler Sklerose. "Doch leider herrscht vielfach immer noch ein sehr negatives und falsches Bild der Krankheit in der Öffentlichkeit – mit Rollstuhl und schwerer Behinderung – vor", sagt Prim. Ulf Baumhackl, Präsident und Vorsitzender des ärztlichen Beirates der Österreichischen MS-Gesellschaft. Dass dies nicht mehr gerechtfertigt ist, darauf wollen Experten am Mittwoch, 23. 5., beim KURIER Gesundheitstalk (siehe u.) hinweisen.

"Wir diagnostizieren die Patienten heute im Schnitt deutlich früher – und es wurden zwischen 1995 und 2001 vier Medikamente für die entzündungshemmende Basistherapie zugelassen", so Baumhackl: "Davor hatten wir gar nichts."

Beobachtungsstudien der vergangenen 15 Jahre zeigten, dass die Zahl der Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien zurückgehe und sich die Zahl der Krankheitsschübe verringere. Die Hoffnung bestehe, dass sich dieser Trend mit neuen, zielgerichteten Substanzen verstärke: Der Antikörper Natalizumab blockiert das Eindringen von Abwehrzellen aus dem Blut, die die Entzündung anfeuern, in das Gehirn. Der Wirkstoff Fingolimod verhindert, dass diese potenziell schädlichen Immunzellen sich ungehindert im Körper bewegen können.

"Durch diese Therapien ist die Zahl der Patienten, die zumindest zwei, drei Jahre keine Krankheitsaktivität aufweisen – z. B. keine Schübe, kein Fortschreiten der Beeinträchtigungen, keine Entzündungsaktivität in der Magnetresonanztomografie- Untersuchung – auf mehr als ein Drittel gestiegen. Bei ihnen können wir die Krankheit in Schach halten", sagt Baumhackl. Langzeitdaten fehlten aber noch. Außerdem sei eine genaue Auswahl der Patienten notwendig, um das Risiko von schweren Nebenwirkungen zu minimieren.

Länger aktiv

Multiple Sklerose „in Schach halten“

"Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es mit den derzeitigen Medikamenten vielen Patienten ermöglichen können, länger aktiv zu bleiben", sagt auch MS-Spezialist Univ.-Prof. Karl Vass, MedUni Wien. "Mit den Medikamenten, die in den nächsten Jahren zugelassen werden, wird uns das noch besser gelingen. Da bin ich sehr zuversichtlich."

Weniger optimistisch ist der Neurologe in der Frage, ob man in absehbarer Zeit die Ursache von MS finden wird. "Wir kennen sie bis heute nicht, ziemlich sicher ist es eine Kombination von genetischen und Umweltfaktoren. Es gibt aber kein einzelnes ,MS-Gen"." Vielfach wurden bereits Infektionen mit Viren oder auch Bakterien als Auslöser verdächtigt: Ein Nachweis ist aber noch in keinem Fall gelungen. Vass: "Trotzdem spielen Infektionen in der Entstehung der Krankheit eine wichtige Rolle." Sehr viele MS-Patienten haben als Jugendliche das Pfeiffer’sche Drüsenfieber durchgemacht – ausgelöst durch das Epstein-Barr-Virus (EBV). "Möglicherweise können EBV-Infektionen im Jugendalter das MS-Risiko erhöhen." Auch zu viel Hygiene in der Kindheit (dadurch ist das Immunsystem "unterbeschäftigt") und ein niedriger Vitamin-D-Spiegel werden als Risikofaktoren diskutiert.

"Man darf sich im Leben niemals aufgeben"
An den Morgen im Oktober 2006 erinnert sich Nina Rada, 35, noch genau: "Als ich in der Früh aufstehen wollte, knickten meine Beine ein." Im Spital war der erste Verdacht ein Bandscheibenvorfall mit Lähmungserscheinungen. "Nach fünf Tagen hatte ich die richtige Diagnose: Multiple Sklerose. Das war für mich ein Schock. Mit erst 29 Jahren hatte ich ein Bild von einem Leben im Rollstuhl vor Augen. Und ich habe mich damals auch von den Ärzten im Spital ziemlich alleine gelassen gefühlt." Doch resignieren ist nicht das Ihre: "Man darf sich niemals aufgeben und sich nicht gehen lassen." Ihr Freund, der die Krankheit mitträgt, eine Psychotherapie und ihre einfühlsame Ärztin halfen ihr über die schwere Zeit. Seit sechs Jahren arbeitet sie mit MS im KURIER – derzeit als Ressortassistentin in der LebensArt-Redaktion. "Ein gewisses Verständnis des Arbeitgebers ist notwendig. Aber dann ist es in sehr vielen Fällen – nicht nur bei mir – möglich, trotz MS berufstätig zu bleiben. Ich möchte allen MS-Patienten Mut machen, das Leben zu bejahen. Mit dieser Haltung ist vieles möglich."

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