Was macht einen Österreicher zum Österreicher?

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Monika Sommer ist Direktorin des Hauses der Geschichte. Ein Interview zum Nationalfeiertag über gemeinsame Rituale, Heimat und die österreichische Identität.

Lederhosen und Dirndl liegen im Trend – nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Großstadt. Es scheint so, als ob sich die Österreicherinnen und Österreicher in Zeiten politischer Unsicherheit auf Traditionen und auf ihre Heimat besinnen. Doch was ist überhaupt österreichisch? Gibt es so etwas wie eine österreichische Tradition? Und was macht unsere Identität aus?

Was macht einen Österreicher zum Österreicher?
Monika Sommer, Leiterin Haus der Geschichte
"Man wird nicht als Österreicher geboren," sagt Monika Sommer, Direktorin desHauses der Geschichte Österreich. Dieses wird im kommenden Jahr in der Neuen Burg am Wiener Heldenplatz eröffnet – also pünktlich zum 100. Jahrestag der Ausrufung der Ersten Republik. Dann wird erstmals der Zeitgeschichte Österreichs ein eigenes Museum gewidmet sein, das "ein Ort der Diskussion sein will, um Geschichte, Gegenwart und Zukunft Österreichs zu verhandeln und zu gestalten", sagt Direktorin Monika Sommer im KURIER-Gespräch.

In der Ausstellung werde es wichtig sein, dass sowohl Ereignisse wie die Unterzeichnung des Staatsvertrags dort Erwähnung finden, als auch persönliche Geschichten erzählt werden. "Jeder soll sich dort mit seiner eigenen Geschichte wiederfinden", wünscht sich Monika Sommer. "Alleine eine Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte zeigt oft, wie ambivalent die vergangenen 100 Jahre waren."

KURIER: Was macht jemanden zur Österreicherin bzw. zum Österreicher? Gibt es eine gemeinsame Tradition, eine gemeinsam erzählte Geschichte, auf die sich alle verständigen können?

Monika Sommer: Die Vorstellung, dass nationale Zugehörigkeit durch eine gemeinsame Sprache, Kultur und Geschichte bestimmt ist, ist ein längst überholtes Konzept des 19. Jahrhunderts. Wir alle sind nicht als Österreicherinnen und Österreicher geboren, sondern haben gelernt, Österreicherinnen und Österreicher zu sein – das beginnt schon im Kindergarten und in der Volksschule. Symbole spielen dabei eine wichtige Rolle.

Was macht die österreichische Identität aus? Welche Rolle hat dabei die Historie? Wie sehr spielen da die k.u.k. Monarchie, Ereignisse wie Türkenkriege oder Staatsvertrag hinein?

Identität ist ein ambivalenter Begriff. Die Zugehörigkeit zu einer Nation ist vor allem das Bekenntnis zu den Werten einer Gesellschaft – Österreicher zu sein bedeutet das Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten. Dazu gehört auch ein Geschichtsbewusstsein, das sich daran orientiert. Aber dazu muss man nicht in Österreich geboren sein. Ganz allgemein gesprochen werden Identitäten aber auch durch Unterscheiden und auch Ausschließen hergestellt. Es braucht für die Existenz von "Identität" also die Beziehung zum "anderen". Um sich vorstellen zu können, was ein "Wir" ist, braucht man "die anderen". Man findet Identität über Sprache, Geisteshaltung, Landschaft, Musik, Essen, Moden aber auch über Leistung, wie z. B. im Sport.

Welches Selbstbild haben die Österreicher? Sind Neutralität, Skifahren und Sachertorte fixe Bestandteile unserer Nation?

Als gebürtige Oberösterreicherin plädiere ich auch gleich für die Linzer Torte! Schon darin zeigt sich: Es gibt Fixpunkte, aber auch viele Varianten zur Frage "Was ist Österreich?". Problematisch wird es, wenn damit Menschen ausgegrenzt werden.

Kann man Patriot sein, ohne andere Menschen abzuwerten? Anders gefragt: Wo hört Heimatliebe auf und wo fängt die Abwertung anderer Kulturen an?

Die Frage ist: Worauf können wir stolz sein? Es ist ja wenig sinnvoll, auf Schnitzel und Sachertorte stolz zu sein. Wir alle sind nach wie vor aufgefordert, eine demokratische Gesellschaft zu verwirklichen, in der soziale Chancengleichheit, Frauenrechte oder auch Schutz von Minderheiten gewährleistet sind. Sich für eine offene, demokratische Gesellschaft zu engagieren, darauf kann man stolz sein.

Welche Rituale vereinen alle Österreicherinnen und Österreicher? Gibt es ein Pendant zu Thanksgiving in den USA – da feiern alle Amerikaner, unabhängig davon, wie lange sie schon im Land sind.

Der heutige Nationalfeiertag ist seit 1965 unser gemeinsamer Feiertag, aber die Frage nach gemeinsamen Ritualen führt wohl eher zu gemeinsamen Fernsehereignissen – vom Neujahrskonzert bis zum Fußball-Länderspiel.

Wird es in Ihrem Haus Beispiele für Meilensteine der Geschichte, der Kultur- und Ideengeschichte geben, die einend wirken?

Das erste Objekt unserer Sammlung ist die Wahlurne der Gemeinde mit der höchsten Wahlbeteiligung bei den Nationalratswahlen 2013 – Großhofen in Niederösterreich. Das Wahlrecht für Frauen und Männer verbindet seit Gründung der Republik 1918 alle österreichischen Staatsbürger. Damit wird zugleich die aktuelle Frage aufgeworfen: Wer darf wählen, welche Gruppen sind vom Wahlrecht ausgeschlossen?

Gibt es in Zeiten der Globalisierung eine Sehnsucht nach Identität, nach Heimat, nach einer Gemeinschaft, die Halt und Schutz bietet in einer zunehmend unsicheren Welt?

Heimat ist ein vielschichtiger Begriff – das kann mein Dorf, mein Grätzel, mein Verein, mein Jugendzentrum sein. Es ist der Ort, an dem ich mich zuhause fühle. Zugleich gilt es einen Heimatbegriff, der anderen die Zugehörigkeit abspricht, kritisch zu hinterfragen. Die Fragen nach der "Nation" und dem "Nationalen" dienen noch immer als Bezugspunkte, die in der Gegenwart sogar immer stärker gemeinschaftsstiftend eingesetzt werden. Obwohl durch die Globalisierung Güter und Menschen aus weit entfernten Regionen zusammenkommen, haben Abgrenzungen kaum an Attraktivität eingebüßt. Man kann das zum Beispiel an den aktuellen Abspaltungstendenzen in Europa festmachen.

Gehört zur österreichischen Identität ein christlich-jüdisches Weltbild?Jede Definition von Identität muss daraufhin befragt werden, wie offen sie ist und welche Gruppen sie ausschließt. Natürlich ist der Katholizismus ein prägender Faktor der österreichischen Kultur, aber ebenso ist die Trennung von Kirche und Staat eine Errungenschaft. Aber es gibt noch viele andere Definitionen österreichischer Identität – von der Kulturnation bis zum Land der verdrängten Vergangenheit.

Wie ändert sich das Selbstbild der Österreicher durch die Migration? Gibt es ein gemeinsames Narrativ von Alt- und Neo-Österreichern? Und wie kann man so eine gemeinsame Tradition, auf die sich alle einigen können, entwickeln?

Unsere Gesellschaft beruht auf den Errungenschaften von Demokratie und Rechtsstaat – das verbindet alle Menschen in Österreich, das ist die Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft. Das Bewusstsein für diese Werte gilt es zu stärken, das ist eines der zentralen Ziele des Hauses der Geschichte Österreich.

Österreich war schon immer Einwanderungsland, warum empfinden sich die Österreicher dann nicht als solches?

Migrationsbewegungen sind eine Konstante in der europäischen Geschichte. Alle Großstädte sind durch Zuwanderung entstanden. Da ist es wichtig, den Beitrag der Menschen, die nach Österreich gekommen sind und zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Landes viel beigetragen haben, zu würdigen.

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