Die "alte Monica" im "neuen Körper"
Ihr Schicksal bewegte viele Fernsehzuschauer: Die deutsche Sportmoderatorin Monica Lierhaus, heute 45, lag nach einer geplanten Hirnoperation 2009 vier Monate im künstlichen Koma, die Prognosen waren äußerst schlecht. Darauf folgten acht Monate neurologische Reha. "Wie ein Kleinkind" habe sie alles neu erlernen müssen, sagt sie jetzt in einem dpa-Interview anlässlich ihres heute, Freitag, erscheinenden Buches "Immer noch ich" (Ullstein Verlag, 20,60 €).
Es war ein Zufallsbefund: Im Jahr 2008 wurde bei der deutschen Sportschau-Moderatorin Monica Lierhaus ein Aneurysma diagnostiziert. Das ist die Erweiterung einer Hirnaterie – die berühmte "Bombe im Kopf". Um ein Aufplatzen zu verhindern, beschloss Lierhaus sich einer vorbeugenden OP zu unterziehen – das Gefäß sollte verschlossen werden. Am 8. Jänner 2009 war es so weit. Es sollte der Tag sein, der ihr Leben für immer verändern würde.
"Haufen Elend im Bett"
"Alles, was mir bis dahin selbstverständlich erschienen war – gehen, sprechen, essen, arbeiten –, war mir nicht mehr möglich", schildert sie. Tatsächlich seien die Prognosen sehr schlecht gewesen. Sie musste alles neu lernen – schlucken, essen, sich bewegen". Der Weg zurück vom Patientenleben als "Deckengucker" und "Haufen Elend im Bett" zurück in einen halbwegs normalen Alltag war ein harter – und langer. Umso sensationeller war dann ihr erster Auftritt bei der Goldenen Kamera im Februar 2011, wo die Kämpferin den beliebten TV-Preis in Berlin überreicht bekam. Mit veränderter Stimme und holpriger Motorik sagte sie damals: "Ab heute möchte ich wieder an meiner Zukunft arbeiten, mich engagieren, mir neue Aufgaben suchen. Sehr hart arbeite ich daran, irgendwann wieder vor der Kamera stehen zu können." Mit ihrem Heiratsantrag an ihren damaligen Lebensgefährten Rolf Hellgardt vor laufender Kamera rührte sie ein Millionenpublikum. Der Bild sagte sie: "Ich bin keine andere Monica Lierhaus, nur eine veränderte."
Sie bereut die OP
Jeder Patient hat sein eigenes "zweites Leben"
Dieses zweite Leben schaut für jeden Patienten anders aus. "Es kommt darauf an, welche Teile des Gehirns betroffen sind", betont Prim. Andreas Winkler, Leiter der neurologischen Reha-Klinik Bad Pirawarth. "Meistens sind durch Sauerstoffmangel oder Verletzungen Netzwerke des Gehirns gestört und bedingen schwere kognitive Defizite, etwa in Sprache, Bewegung oder Emotionen." Die Rehabilitation dauere Monate bis Jahre und hänge von vielen Faktoren ab. "Es ist oft den Angehörigen schwer zu vermitteln, dass es mit dem Aufwachen des Patienten nicht vorbei und der Weg noch sehr lang ist."
Fortschritte müssen sehr individuell betrachtet werden
Dabei müssen Fortschritte äußerst individuell betrachtet werden, sagt Prim. Johann Donis, Leiter der Abteilung "Apalliker Care Unit" im Geriatriezentrum Am Wienerwald. "Die Patienten machen in der Regel verschiedene Phasen durch. Anfangs sind sie sehr mit sich selbst beschäftigt. Je differenzierter die Entwicklung, desto klarer wird bei vielen, dass es eben nicht mehr wie vorher ist. Selbstverständliches wird zu einer großen Herausforderung." Monica Lierhaus macht etwa die Feinmotorik noch immer Probleme – "alles, was fummelig ist". Das Öffnen einer Milchpackung könne ihr große Schwierigkeiten machen. Doch sie sei schon froh, wieder Schuhbänder binden zu können.
Persönliche Motivation
Viele Stationen in der Rehabilitation hängen aber auch mit der Persönlichkeit des Patienten zusammen. Monica Lierhaus etwa ist überzeugt, dass ihr – neben ihrer Familie – besonders ihre "alten" Charakterzüge Zielstrebigkeit, Perfektionismus und auch Ungeduld auf dem Weg zurück halfen. Experte Winkler hat die Erfahrung gemacht, dass eine neurologische Bewusstseinsstörung oft auch den Blick auf die Welt, das Leben, ändert. "Dinge, die früher gar nicht so wichtig waren, werden nach der Erkrankung viel stärker geschätzt."
In Österreich entwickeln bis zu fünf Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens ein Gehirnarterienaneurysma. Zur Bedrohung wird es allerdings nur für einen geringen Teil. Bei einem Durchmesser von weniger als sieben Millimetern platzen laut einer Studie weniger als 0,1 Prozent pro Jahr. Bei größeren Durchmessern ist das Risiko deutlich höher. Platz ein Aneurysma, sterben etwa 50 bis 60 Prozent an den Folgen der Blutung – weniger als zehn Prozent überleben sie ohne körperliche und geistige Beeinträchtigung.
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