Mit Biss: „Ich kann wieder Schnitzel essen“

Ein ultrakurzes Zahnimplantat: Damit können auch Menschen mit dünnen und schwachen Kieferknochen eine derartige Versorgung bekommen
Ultra kurze Zahnimplantate als Chance für Menschen mit schwachen und dünnen Kieferknochen.

Vier Jahre lang konnte Gerhard K. nach einer Tumoroperation im Bereich des Unterkiefers keine feste Nahrung zu sich nehmen. Der nach dem Eingriff verbliebene Knochen war zu dünn und zu schwach für ein herkömmliches Implantat mit einer Länge von bis zu 15 Millimetern, er musste eine Prothese tragen. Im Frühjahr aber erhielt er im Wiener CMF-Institut die kürzesten Zahnimplantate der Welt. „Drei Monate nach dem Eingriff kam er mit seiner Frau zu uns und sagte: ,Herr Doktor, gestern waren wir das erste Mal seit vier Jahren Schnitzel essen.‘ Das ist auch für uns Ärzte ein Erlebnis“, sagt Institutsgründer Univ.-Prof. Rolf Ewers.

Mit Biss: „Ich kann wieder Schnitzel essen“
Viele Menschen, die Zahnimplantate benötigen, verfügen über eine zu geringe Knochenhöhe, so Ewers. Neben Tumorpatienten auch Menschen mit starkem Kieferknochenschwund etwa durch frühzeitigen Zahnverlust, intensives Rauchen oder Osteoporose(-therapien). Zwar gibt es Knochenaufbauverfahren – dazu kann man zum Beispiel Knochen aus dem Becken in den Unter- oder Oberkiefer einlegen: „Aber viele Patienten lehnen das wegen der möglichen zusätzlichen Risiken wie Schmerzen, hoher Kosten und langer Dauer des Aufbauverfahrens ab.“

„Trauten uns“

Deshalb suchte Ewers nach Alternativen: „Als 2009 eine US-Firma diese ganz kurzen Implantate auf den Markt gebracht hat, war ich zuerst – wie viele meiner Kollegen – skeptisch: ,Kann das wirklich halten?‘ Aber wir haben uns getraut.“ Ab Oktober 2010 waren das CMF-Institut und die Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MedUni Wien weltweit die Ersten, die damit begannen, diese Fünf-Millimeter-Implantate im Rahmen einer Studie einzusetzen. Ewers führt die Studie seit 2010 mit Ass.-Prof. Rudolf Seemann (MedUni Wien) durch. Mehr als 100 Patienten sind in mehreren Studienzentren weltweit eingebunden, in Wien sind es bis jetzt mehr als 20.

Die Ergebnisse der ersten drei Jahre sind sehr gut. Obwohl es sich um Patienten mit sehr schwierigen Knochenverhältnissen handelt, beträgt der Prozentsatz der Implantate, die nicht halten, lediglich zwei bis vier Prozent: „Das ist nicht mehr wie auch bei längeren Implantaten und Patienten mit wesentlich weniger problematischen Kieferstrukturen.“ Möglich macht diese guten Ergebnisse die Konstruktionsart: Zwischen Implantat und Halteelement für die Kronen bzw. Brücken gibt es keine schraub-, sondern eine konische Steckverbindung. „Und die ist bakteriendicht.“

Normalerweise sei diese Verbindung „immer eine Schwachstelle“, sagt Seemann. „Denn dort können Bakterien eintreten.“ Es bildet sich eine Entzündung, die den Knochen angreift, die Knochenhöhe geht langsam zurück. „Das ist bei einem langen Implantat von etwa 13 Millimetern und einem entsprechend hohen Kiefer verkraftbar, weil dann einige Millimeter Knochenverlust ohne Stabilitätseinbuße einhergehen. Anders ist es bei einem bereits sehr dünnen und niedrigen Knochen und derart kurzen Implantaten.“

In der Studie zeigte sich, dass diese Ultra-Short-Implantate zu keinem bakteriell bedingten Knochenabbau führen. Seemann: „Die Steckverbindung ist absolut undurchlässig.“ Deshalb reichen für diese Implantate geringe Knochenhöhen aus. „Auch bei schwierigsten und dünnsten Kieferverhältnissen sitzen die kurzen Implantate meist sehr fest.“

Alte Bisshöhe

Die Studienteilnehmer bekommen vier Implantate pro Kiefer, nach der Einheilzeit von mehreren Monaten wird eine Brücke angefertigt. „Auch dabei betreten wir Neuland, weil sie nicht mehr aus einem Metall-, sondern einem viel leichteren Kunststoffgerüst besteht.“ Und die Wissenschaftler konnten noch etwas zeigen: Die Implantate sitzen so fest, dass der Aufbau für die Krone bzw. Brücke sieben Mal so lang wie der Implantatteil im Knochen sein kann. Ewers: „Dadurch ist auch bei sehr starkem Knochenschwund die alte Bisshöhe gewährleistet, die Patienten haben nicht mehr das typisch eingefallene Prothesengesicht.“

„Unser extremster Fall“, erzählt der Kieferchirurg, „war eine Patientin mit einer Unterkieferhöhe von nur mehr sechs Millimetern. Sie hat nur eines der vier Implantate verloren, an den drei anderen ist die Brücke stabil fixiert. Vor Kurzem war die Dame wieder bei uns: Sie ist so glücklich wie schon lange nicht mehr.“

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