"Die Zähne zerbröseln richtig"

Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation: mehr als ein ästhetisches Problem
Zahnschmelzstörung: Rund zehn Prozent der Kinder leiden an mangelnder Mineralisation.

Kaum brechen die zweiten Zähne bei Kindern durch, sind sie auch schon schadhaft und müssen behandelt werden: Mit diesem Phänomen, das sich "Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation" (MIH) nennt, sind Zahnärzte seit etwa zehn Jahren immer häufiger konfrontiert. Bis zu zehn Prozent aller Kinder sind von dieser mangelhaften Mineralisation des Zahnschmelzes bei Backenzähnen (Molaren) und Schneidezähnen (Inzisiven) betroffen. Die Therapie ist schwierig – und die Ursachen unbekannt.

Für die Betroffenen ist MIH weit mehr als ein ästhetisches Problem. "Betroffen sind vor allem die ersten Backenzähne und Schneidezähne. Sie sind sehr empfindlich und in schweren Fällen zerbröseln sie richtiggehend. Da kann das Kind putzen, was es will", weiß Verena Bürkle, Vize-Präsidentin der Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde. Mit einem etwa durch zu viel Süßes bereits früh geschädigten Zahnschmelz ist MIH nicht zu vergleichen. "Der Schaden entsteht bereits während der Zahnentwicklung im Knochen." Denn die zweiten Zähne werden schon vor der Geburt angelegt.

Ursachen unklar

Die Ursachen dieses Entwicklungsfehlers sind nicht klar. "Die Störung vollzieht sich pränatal und während des ersten Lebensjahres. Was daran beteiligt ist, weiß man nicht", erklärt Andreas Moritz, Fachbereichsleiter für Zahnerhaltung & Parodontologie an der Bernhard Gottlieb Uni-Zahnklinik Wien.

Derzeit wird weltweit intensiv über MIH geforscht. Die Ergebnisse sind aber allesamt nicht schlüssig. "Es lässt sich keine Eindeutigkeit ausmachen", sagt Bürkle. Auch Moritz betont, dass "mögliche Zusammenhänge nicht hundertprozentig gesichert sind". Er nennt Untersuchungen, in denen die Ernährung während der Schwangerschaft eine Rolle spielte, in anderen wurde frühkindliche Antibiotikagabe bei Infektionen untersucht – ohne schlüssiges Ergebnis.

Impfungen sind ebenfalls im Gespräch, für Moritz aber unwahrscheinlich. "Dafür gibt es keinerlei Hinweise." Manche Eltern befürchten generell Umweltgifte wie Weichmacher in Plastikflascherln oder Allergien als Auslöser. Dagegen spricht, dass Londoner Forscher in 300 Jahre alten Gebissen ebenso bröckelnde Zähne fanden, die auf MIH schließen lassen, wie die Zeit berichtete. Manche Experten vermuten, dass in den vergangenen 20 Jahren das starke Augenmerk auf Karies den Blick auf MIH verstellte. Durch viele flächendeckende Maßnahmen konnte Karies bei Kindern um immerhin 80 Prozent reduziert werden.

Therapie schwierig

Die Zahnschmelzstörung ist nicht heilbar, eine Therapie schwierig. Bei leichten Fällen (etwa drei Viertel aller Betroffenen) hilft eine Versiegelung der Zähne. Damit können Risse im Zahnschmelz (Fissuren) geschlossen und das Entstehen von Karies verhindert werden. Dazu setzen Gels die Schmerzempfindlichkeit herab. In schwereren Fällen wird meist versucht, den geschädigten Zahn mit Kunststofffüllungen wieder aufzubauen. Weil Füllungen schlechter halten, setzen manche Ärzte auf provisorische Kronen aus Edelstahl. In Extremfällen muss der Zahn gezogen und die entstandene Zahnlücke kieferorthopädisch geschlossen werden.

In jedem Stadium von MIH ist aber die Mundhygiene noch bedeutender, ebenso wie häufigere Zahnarztbesuche sagt Bürkle – "um zusätzliche Schäden hintanzuhalten". "Generell müssen die Eltern bei MIH noch mehr dahinter sein, als ohnehin empfohlen wird."

"Die Zähne zerbröseln richtig"

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