„Menschen mit Diabetes fühlen sich diskriminiert“

APA4992840 - 24082011 - WIEN - ÖSTERREICH: THEMENBILD - Blick auf die Wiener Südost Tangente (A23) am Mittwoch, 24. August 2011, im Rahmen einer PK der ASFINAG zum Thema "Resümee der Sommer-Bau-Phase A23 Hanssonkurve" APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Führerschein: Wer bestimmte blutzuckersenkende Medikamente nimmt, muss alle fünf Jahre zum Amtsarzt.

Zittern, Schwindel, Verwirrtheit: Das können bei Diabetikern Anzeichen einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) sein. Nimmt der Betroffene rechtzeitig Kohlenhydrate (z. B. Traubenzucker) zu sich, vermeidet er eine Bewusstseins-Beeinträchtigung.

„Bei fortgeschrittener Erkrankung kann es aber sein, dass die Körperwahrnehmung gestört ist und man diese Symptome nicht mehr spürt“, erklärte Donnerstag Prim. Heidemarie Abrahamian, Leiterin der Internen Abteilung im Wiener Otto-Wagner-Spital, bei einer Veranstaltung der Pharmafirma MSD (Merck Sharp & Dohme) in Wien. „Es kann dann sofort zur Bewusstseinsstörung kommen.“ Das ist der Grund, warum Diabetikern, die „mit Insulin oder bestimmten Tabletten“ (Sulfonylharnstoffe) behandelt werden, der Führerschein nur auf fünf Jahre befristet ausgestellt wird. Bei anderen Medikamenten gibt es seit 2011 keine Beschränkung. Dies steht auch in den neuen „Leitlinien für die gesundheitliche Eignung von Kraftfahrzeuglenkern“.

Weniger Unfälle?

„Wenn Diabetiker herausgefiltert werden, die Unterzuckerungen nicht mehr spüren, kann das die Unfallzahlen verringern“, so Abrahamian. Ganz wichtig sei aber auch die Aufklärung und Schulung der Patienten.

„Menschen mit Diabetes fühlen sich durch diese Rechtslage diskriminiert“, sagte hingegen Elsa Perneczky, Österreichische Diabetikervereinigung. „Diabetiker wollen nicht als gefährliche Verkehrsteilnehmer bezeichnet werden, sie geben ihre Verantwortung nicht an der Autotür ab. Statistiken zeigen keinen Unterschied in der Unfallhäufigkeit.“ Insulinpflichtige Diabetiker seien in der Regel sehr geschult „und steigen nicht ohne vorherige Messung des Blutzuckers und ohne ein Stück Traubenzucker ins Auto“. – „Eine Unterzuckerung kann vermieden werden“, erklärte auch Gabriele Grom, Österreich-Geschäftsführerin von MSD. Patientenaufklärung spiele hier eine große Rolle.

Hohe Kosten

„Wir sind nicht gegen Kontrollen, aber diskriminierend ist auch, dass eine Führerscheinverlängerung die Betroffenen rund 250 bis 300 Euro kostet“, so Perneczky.

Die Befristung des Führerscheins für Diabetes-Patienten mit den genannten Medikamenten sei ein Kompromiss zwischen dem Interesse des Einzelnen und der Allgemeinheit, so Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV). Die neuen Leitlinien würden aber einheitliche Entscheidungen garantieren.

Keine Meldepflicht

Ein insulinpflichtiger Diabetiker ist nicht verpflichtet, die Erkrankung einem Amtsarzt zu melden, betont Kaltenegger: Komme es aber zu einem Unfall, müsse er „mit drastischen Sanktionen“ rechnen.

Die Befristung des Führerscheins gilt offiziell für alle Patienten, deren Krankheiten oder Medikamente zu Bewusstseinsstörungen führen können, – also z. B. auch Bluthochdruck oder Herzrhythmusstörungen. Die Entscheidung liegt beim Amtsarzt.

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