"Meilenstein": Neue Therapie für Herz-Patienten
"Das ist ein Meilenstein für Hochrisiko-Patienten. Für sie verliert der Herzinfarkt seinen Schrecken", erklärt der Kardiologe Univ.-Prof. Guy Friedrich von der Innsbrucker Uni-Klinik zum Auftakt des 19. Kardiologie-Kongresses Innsbruck. Eine neue Therapie dürfte vor allem für diese Patientengruppe große Chancen öffnen.
Als Hochrisiko-Patient gilt etwa ein übergewichtiger Diabetiker und Raucher, der hohen Blutdruck hat, Cholesterinwerte jenseits der 300 und obendrein noch unter Stress steht. Unter diesen Umständen liegt das Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, bei knapp 50 Prozent. "Die Summe der Risikofaktoren macht das Risiko", warnt Friedrich. Wie hoch die persönliche Gefahr ist, kann im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung anhand von standardisierten Richtwerten erhoben werden.
Fast jeder vierte Österreicher leidet unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, rund 17.000 Herzinfarkte werden jedes Jahr in Österreichs Spitälern behandelt. In erster Linie gilt für diese Herz-Kreislauf-Patienten nach wie vor, Risikofaktoren wie Diabetes, Rauchen oder zu hohen Blutdruck durch Ernährungsumstellung, Lebensstil-Änderung und Medikamente in den Griff zu bekommen. Dadurch und durch eine Verbesserung des Notarzt- und Rettungssystems konnte die Zahl der Herzinfarkt-Toten in den vergangenen 30 Jahren halbiert werden.
Cholesterin senken
Doch bei jedem dritten Hochrisiko-Patient hilft das kaum – die Blutfette und vor allem das "schlechte" LDL-Cholesterin lassen sich nicht weit genug senken. Manche vertragen die Cholesterin-Senker (Statine) nicht und erleiden dadurch etwa starke Muskelschmerzen, andere reagieren aus genetischen Gründen nicht darauf und die Werte lassen sich nicht reduzieren. Doch ein Zuviel dieses LDL-Cholesterins im Blut verursacht Ablagerungen an den Gefäßwänden und verstopft schließlich die Gefäße. Lösen sich diese Fettablagerungen, können sie Herzinfarkte oder Schlaganfälle verursachen.
Die neue Antikörper-Therapie ist ein sogenannter PCSK9-Inhibitor und unter den Substanznamen Alirocumab und Evolocumab im Handel. Die Arznei wird monatlich injiziert und kann für Betroffene eine erhebliche Senkung der Cholesterinwerte bewirken. Die Substanz arbeitet an der Leberzelle und sorgt dafür, dass mehr Cholesterin aus dem Blut absorbiert wird. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass durch die Therapie gefährliche Gefäßablagerungen massiv schrumpfen. Damit ist wissenschaftlich bestätigt, dass die Therapie Herzinfarkte und Schlaganfälle verhindern kann. Außerdem dürfte sie gut verträglich sein und wenige Nebenwirkungen aufweisen. Der Kardiologe erwartet, dass sie überall dort hilft, wo Gefäße im Körper durch Arteriosklerose (Arterienverkalkung) verengt werden und Cholesterinwerte mit herkömmlicher Behandlung nicht weit genug gesenkt werden konnten.
Vor allem bei Hochrisiko-Patienten soll es damit künftig wesentlich weniger Herzinfarkte geben. Prognosen zufolge könnte die Therapie die Zahl der Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis 2025 um zehn Prozent senken, die Zahl der Herzinfarkte könnte sogar um 15 Prozent zurückgehen.
Derzeit ist die Behandlung allerdings nur unter bestimmten Umständen für Hochrisiko-Patienten zugelassen (siehe Zusatzkasten unten). "Ziel wäre, es präventiv für Herz-Kreislauf-Patienten mit hohem Risiko einzusetzen. Das ist derzeit aber noch Gegenstand von Studien", erklärt Friedrich.
Wer bisher seine Cholesterin-Senker gut verträgt, hat jedenfalls keinen Grund, auf die neue Antikörper-Therapie umzusteigen, betont der Kardiologe.
Derzeit wird die neue Antikörper-Therapie zur Senkung des Cholesterin österreichweit ausschließlich an sogenannten PCSK9-Zentren von Stoffwechselambulanzen verabreicht. Zudem sind die Medikamente chefarztpflichtig – die Kosten dafür belaufen sich auf rund 4000 Euro pro Jahr und Patient.
Zugelassen werden derzeit nur Hochrisiko-Patienten, bei denen der LDL-Cholesterinwert über 100 liegt und mit den herkömmlichen Methoden nicht, wie für die Patientengruppe empfohlen, auf 70 gesenkt werden kann. Derzeit wird die Therapie vorwiegend erst dann eingesetzt, wenn bereits ein Herzinfarkt oder eine andere Verschlusskrankheit vorliegt und die Gefahr eines neuerlichen Ereignisses droht. "Zur Vorsorge gegen den ersten Herzinfarkt, wo die Therapie ebenso sinnvoll eingesetzt wäre, ist sie derzeit kaum zu haben", erklärt der Stoffwechsel-Experte Univ.-Prof. Christoph Ebenbichler von der Innsbrucker Uni-Klinik. Die Österr. Arteriosklerose-Gesellschaft setzt sich derzeit dafür ein, dass Familien für die Therapie zugelassen werden, die genetisch bedingt ihren ersten Herzinfarkt bereits im Alter zwischen 30 und 40 bekommen.
Alle österreichischen Zentren für die Erstversorgung finden Sie auf der Webseite des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger unter www.hauptverband.at.
Kommentare