Mehr Mund- und Rachenkrebs durch geänderte Sexpraktiken

Humane Papilomaviren werden durch Sexualkontakt übertragen.
Krebserkrankungen durch HPV im Mund- und Halsbereich könnten bald häufiger sein als Gebärmutterhalskrebs, warnen Mediziner. Die Ursache dürfte in einem geänderten Sexualverhalten liegen.

HPV - Humane Papillomaviren - sind bekannt als Auslöser von Gebärmutterhalskrebs. Doch bestimmte Typen dieser Viren (vor allem Typ 16 und 18) können in hohem Ausmaß auch Krebserkrankungen im Kopf- und Halsbereich auslösen.

Lange Zeit war die Zahl der Neuerkrankungen von Kopf- und Halstumoren gleichbleibend oder sogar rückläufig. Aber seit dem Ende der 1990er Jahre gibt es beim "Oropharynxkarzinom" ("Mundrachenkrebs") eine deutliche Zunahme der Neuerkrankungen - und zwar bei jenen Fällen, deren auslösende Ursache eine Infektion mit HPV ist. Manche Mediziner sprechen bereits von einer "HPV-Epidemie im Kopf- und Halsbereich". HPV wird ausschließlich über Hautkontakt oder Geschlechtsverkehr übertragen.

"Früher waren die typischen Patienten im Schnitt 50 bis 60 Jahre alt, es waren vor allem Männer, die viel geraucht und viel getrunken haben", sagt Dietmar Thurnher, Vorstand der Uni-Klinik für HNO-Heilkunde in Graz. Rauchen und hoher Alkoholkonsum - vor allem harte Getränke - sind ein Risikofaktor (ganz ohne HPV-Infektion). Besonders die Kombination von Rauchen und Alkohol lässt das Risiko stark ansteigen.

Die HPV-Infektionen im Mund- und Halsbereich sind auch ein großes Thema bei der Jahrestagung der Österreichischen HNO-Gesellschaft, die derzeit in Wien stattfindet.

Andere Patientengruppe

"Jetzt sind die Patienten rund zehn Jahre jünger, es sind Frauen und Männer, Nichtraucher und Menschen, die keinen oder nur wenig Alkohol trinken", so Thurnher. Das sei eine andere Patientengruppe.

Betroffen ist der Bereich des Mund- und Rachenraums ab dem weichen Teil des Gaumens, der Mandeln und des Zungengrunds (dort, wo die Zunge angewachsen ist). Ursache des Anstiegs dürfte vor allem ein geändertes Sexualverhalten (Oralsex) und eine höhere Anzahl von Sexualpartnern sein. Laut einer US-Studie steigt das Risiko für eine derartige Krebserkrankung im Mund- und Rachenraum ab dem achten Sexualpartner stark an.

Während bei Gebärmutterhalskrebs praktisch immer eine HPV-Infektion die Ursache ist, ist das bei Krebs im Mund- und Rachenraum in unterschiedlichem Ausmaß der Fall: In den USA liegt der Prozentsatz bereits bei 60 Prozent, in Europa bei rund 30 Prozent, bei einer Untergruppe (der Krebserkrankung der Mandeln) sind es bereis 60 Prozent.

Steigender Trend

In den USA könnte im Jahr 2020 die Zahl der durch HPV ausgelösten Fälle von Mund- und Rachenkrebs die Zahl der Neuerkrankungen an Gebärmutterhalskrebs bereits übersteigen. Auch in Österreich geht der Trend in diese Richtung.

"Vor zehn Jahren war es noch die Ausnahme, dass ein Patient mit einem durch HPV ausgelösten Tumor im Kopf- und Halsbereich im Wartezimmer eines HNO-Arztes gesessen ist und wir Sexualaufklärung gemacht haben", sagt Thurnher. Wobei sich das Wissen verbessert habe: "Viele Patienten wissen heute, wie das Virus aus der Gebärmuter in den Mund-Rachenraum kommt."

Es gibt aber auch eine positive Nachricht: Ist ein Tumor im Mund- und Rachenraum HPV-positiv, ist die Heilungschance doppelt so hoch wie in den Fällen, wo keine Virusinfektion nachgewiesen werden kann. Über alle Erkrankungsstadien liegt die Heilungsrate bei rund 50 Prozent.

Rund 1000 Fälle von Mund-Rachen-Karzinomen werden jährlich in Österreich neu diagnstiziert, rund 800 bei Männern und 200 bei Frauen.

Impfung schützt

Einen Schutz gegen die Krebserkrankungen auch im Mund- und Rachenraum bietet die HPV-Impfung. Seit 2014 werden die Kosten für die Impfung in der vierten Schulstufe durch das Kinderimpfprogramm abgedeckt.

Kommende Woche findet übrigens eine internationale Aufklärungswoche über Kopf-Hals-Tumore statt, an der Österreich erstmals beteiligt ist. Nähere Infos dazu finden Sie hier.

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