Mehr Mobbing, weniger Zufriedenheit

Mehr Mobbing, weniger Zufriedenheit
Psychische Erkrankungen nehmen zu. Die Wirtschaftskrise und veränderte Arbeitsbedingungen fördern dies.

Etwa 15 Prozent der Europäer sind in ihrem Job "sehr unzufrieden". Auch der Anteil jener, die ihren Job lieben, reduzierte sich auf unter 30 Prozent. Das zeigen aktuelle Daten. Für Österreich besonders alarmierend: Entgegen dem EU-Trend stiegen hierzulande Mobbing und Belästigung am Arbeitsplatz.

"Die Situation schlägt gerade jenen auf die Seele, die auch schon davor schlechte ökonomische Bedingungen und wenig psychische Stabilität hatten. Die Wirtschaftskrise könnte für viele jener Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt", sagt Eva Mückstein, Präsidentin des Berufsverbands für Psychotherapie (ÖBVP).

Aktuelle Daten des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger zeigen einen Anstieg der psychischen Erkrankungen. Auch wenn es sich dabei überwiegend um leichtere psychische Störungen handle, sehen die Psychotherapeuten großen Handlungsbedarf. In Österreich erhält nur etwa ein Drittel der Betroffenen eine professionelle Behandlung. "Unbehandelt werden psychische Störungen jedoch chronisch." Maßnahmen zur Vorsorge sowie eine flächendeckende Versorgung und Finanzierung von Therapien seien notwendig. Mückstein: "Eine bedarfsgerechte, individuelle Betreuung anbieten zu können, wäre wünschenswert."

Tabuthema

Rund 900.000 Österreicher werden wegen psychischer Probleme behandelt - rund 800.000 mit Psychopharmaka (Anstieg seit 2009 um 17 Prozent). Aber nur 65.000 Versicherte erhalten eine Psychotherapie (Kassenplatz bzw. Kostenzuschuss).

Allerdings: "Die Psyche ist nicht gerade ein offenes Thema in unserer Gesellschaft", kritisiert ÖBVP-Vize Christa Pölzlbauer. "Auch wenn sich die Akzeptanz etwas gebessert hat: Die Menschen haben Angst vor allem, das mit Psy beginnt."

Einen wesentlichen Anteil an der Zunahme psychischer Leiden haben für die Experten die veränderten Bedingungen der Arbeitswelt. Die Globalisierung führte in den vergangenen 30 Jahren zu vielen Veränderungen. "Es gibt Betriebe, die produzieren heute die doppelte Menge an Fahrzeugen mit 50 Prozent weniger Mitarbeiter als vor 20 Jahren", sagt Sozialforscher Wolfgang Dür, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Gesundheitsförderungsforschung. Gleichzeitig seien Flexibilität und lebenslanges Lernen gefordert.

Dazu mangelt es am Arbeitsplatz immer öfter auch an der Fähigkeit, miteinander richtig umzugehen. "Kommunikationsfähigkeit wird heutzutage verlangt, egal in welcher Branche. Das Internet hat vieles verändert. Wer das nicht kann, hat kaum Chancen." Kollegiale Sprachlosigkeit und diffuse Ängste seien die Grundlage für Mobbing. Das sei jedoch nur die Spitze des Eisbergs. "Konflikte und andere Kommunikationsprobleme sind allgegenwärtig."

Privat und betrieblich die Gesundheit fördern
Wie können Menschen den gestiegenen Bedürfnissen der Arbeitswelt Paroli bieten? Und zwar rechtzeitig - bevor sich eine psychische Krise manifestiert hat? Der Berufsverband der Psychotherapeuten rät, sich die Problematik so früh wie möglich bewusst zu machen. "Viele fühlen sich stigmatisiert und entwickeln Schuldgefühle", weiß Christa Pölzlbauer. Sie empfiehlt, die Probleme in einem vertrauten Umfeld, etwa im Freundeskreis, anzusprechen. "Es gibt dort vermutlich ähnliche Erfahrungen." Sich eine Tätigkeit "zum Ausgleich" aus dem beruflichen Hamsterrad zu suchen, sei ebenso hilfreich.

Prävention ist für den Sozialforscher Wolfgang Dür aber auch eine Aufgabe des Unternehmens. Die derzeit aber nur 15 Prozent wahrnehmen. "Die Unternehmer müssen sich klar sein: Schlechte Abläufe, die die Mitarbeiter abnutzen, schaden letztendlich auch dem Betrieb."

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