Mehr Haare, aber keine Lust auf Sex

Mehr Haare, aber keine Lust auf Sex
Der einzige echte Wirkstoff gegen genetisch bedingten Haarausfall senkt die Libido, warnt die US- Gesundheitsbehörde.

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Der Wirkstoff Finasterid wird weltweit erfolgreich in einem Medikament gegen genetisch bedingten Haarausfall bei Männern eingesetzt. Die Auswirkungen auf das Sexualleben sind jedoch größer als bisher angenommen. Das belegen aktuelle Studien, die im Magazine for Sexual Medicine veröffentlicht wurden, berichtet Time Healthland.

Die Studienteilnehmer klagten auch noch Monate nach Absetzen des Medikaments über Libidoverlust, schmerzende Genitalien sowie Erektions- und Orgasmusschwierigkeiten. Aufgrund dieser direkten Verbindung der Beschwerden mit dem Medikament verschärfte die amerikanische Gesundheitsbehörde nun ihre bisherigen Warnungen. Studienautor Michael Irwig von der Washington University sagt: "Unsere Ergebnisse lassen mich befürchtet, dass dieses Medikament dauerhafte Schäden bei den Männern verursacht hat."

Der Linzer Sexualmediziner Georg Pfau betont: "Der Wirkstoff Finasterid ist die einzige wirksame Hilfe gegen den sogenannten androgenetischen Haarausfall." Glatzenbildung sei keine Krankheit, sondern eher ein Lifestyle-Problem. Dennoch kann es für einen jungen Mann ein großes Problem bedeuten.

Wer sich für eine Therapie mit Finisterid entschließt, sollte gut informiert sein. Denn das Medikament greift sensibel in den Sexualstoffwechsel ein. "Es wird das wichtigste Sexualhormon des Mannes – Dihydrotestosteron (DHT) gehemmt", erklärt Pfau. "Es ist eine Risikoabwägung, ob man das in Kauf nimmt. Das ist schließlich kein Nahrungsergänzungsmittel, sondern ein hochwirksames, rezeptpflichtiges Medikament mit Nebenwirkungen."

Verantwortung

Bei verantwortungsvollem Einsatz sind Pfaus Erfahrungen mit dieser langfristig anzuwendenden Therapie allerdings gut. Wichtig sind: "Genaue Diagnose, Aufklärung – und laufende Überwachung inklusive Erfragen der Libido. Das darf man nicht dem Patienten alleine überlassen." Häufig greifen Betroffene aus Scham und via Internet zur Eigeninitiative, statt zum Arzt zu gehen und die Ursache für den Haarausfall abklären zu lassen. "Da habe ich dann später Männer mit vollem Haar vor mir, die sich grundlos selbst therapiert haben und jetzt über Libidoprobleme klagen."

Dass sich die Nebenwirkungen auch noch lange nach Absetzen des Medikaments zeigen, hat für Pfau auch psychosomatische Gründe. "Die sexuellen Probleme werden ja durch das Medikament ausgelöst. Das führt jedoch zu einer großen Verunsicherung, die natürlich über die Einnahmezeit hinausgehen kann."

Waschen, Schneiden, Massieren ohne Effekt

Rund um das wertvolle Haupthaar ranken sich etliche Mythen – die meisten davon sind reiner Humbug. Claudia Moser von Moser Medical klärt auf:

Häufiges Schneiden lässt Haare schneller wachsen. Stimmt nicht. Da das sichtbare Haar aus abgestorbenen Zellen besteht, macht es keinen Unterschied für das Wachstum, ob man es lang oder kurz trägt und wie häufig es geschnitten wird.

Kopfmassage verringert den Haarausfall. Menschen mit vollem Haar haben zwar eine stärker durchblutete Kopfhaut – daraus den Rückschluss auf die Durchblutung als Ursache zu ziehen, ist aber nicht zulässig.

Häufiges Waschen erhöht Haarausfall. Auch wenn sich die Haarpracht im Ausguss sammelt – es fallen nur jene Haare aus, die schon geschädigt sind. Gesunde Menschen verlieren ca. 80 bis 100 pro Tag.

Glatze ist ein Zeichen für eine ausgeprägte Libido. Falsch. Die Haarwurzeln von kahlköpfigen Männern sind zwar empfindlicher gegenüber einer Form von Testosteron, das deutet jedoch nciht auf erhöhten Testosteronspiegel hin.

Hüte & Mützen fördern Haarausfall. Entgegen der Behauptung behindern sie die Sauerstoffversorgung der Haarwurzeln nicht.

Info: Wenn die Männer Haare lassen

Ursache Genetisch bedingter Haarausfall (genetische Alopezie) betrifft ca.15 Prozent der Männer. Es gibt eine familiäre Veranlagung zur Glatzenbildung. Haarfollikel in der Wachstumsphase reagieren übersensibel auf das Sexualhormon Dihydrotestosteron (DHT, verstoffwechseltes Testosteron).

Wirkstoff Finasterid hemmt das Sexualhormon DHT, der Haarwuchs ist nicht mehr blockiert. Voraussetzung für das rezeptpflichtige Medikament sind noch aktive Haarfollikel. Neben Sex-Problemen beeinflusst Finasterid auch Leber, Nieren. Auch können die Brustdrüsen wachsen (Gynäkomastie).

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