Medizin-Nobelpreis an Stammzellen-Forscher

Medizin-Nobelpreis an Stammzellen-Forscher
Den Auftakt zur Nobelpreis-Woche macht die Medizin. John B. Gurdon und Shinya Yamanaka wurden für ihre Errungenschaften im Bereich der Zell-Reprogrammierung ausgezeichnet.

Die Reaktionen aus Forscherkreisen sind eindeutig: "Super Sache. Das ist absolut nobelpreiswürdig und verdient", kommentiert etwa der Genetiker Univ.-Prof. Markus Hengstschläger die Montagmittag bekannt gegebene Entscheidung des Nobelpreis-Komitees in Stockholm.

Den mit 930.000 Euro dotierten Medizin-Nobelpreis erhalten mit dem Briten John Gurdon und dem Japaner Shinya Yamanaka zwei Zellforscher. Sie zeigten, dass erwachsene, bereits spezialisierte Körperzellen wieder zu embryonalen Stammzellen reprogrammierbar sind und daraus jede Art von Körperzelle (Muskeln, Nerven, etc.) gewonnen werden kann. Damit sollen auch ethische Bedenken in der Verwendung menschlicher Embryos für die Forschung wegfallen.

"Diese Erkenntnisse haben unser Verständnis revolutioniert, wie sich Zellen und Organismen entwickeln", heißt es aus Stockholm. "Es hat die Richtigen erwischt – je früher, desto besser", meint auch Hengstschläger. "Dass embryonale Stammzellen reproduzierbar sind, ist bahnbrechend und revolutionierte die wissenschaftliche Grundlagenforschung. In allen Lehrbüchern steht, dass die Zellentwicklung nur in eine Richtung möglich ist."

Die Umkehrung davon – also die Reprogrammierung der Zellen – gelang John Gurdon erstmals 1962. In einem klassischen Experiment ersetzte er den unreifen Zellkern der Eizelle eines Frosches durch den Zellkern einer reifen Darmzelle – sie entwickelte sich zu einer Kaulquappe. Der Anruf des Nobelpreis-Komitees ist für den renommierten Wissenschaftler 50 Jahre nach seiner Entdeckung der späte Preis dafür. Gurdon, der vorige Woche 79 Jahre alt wurde, forscht noch immer am nach ihm benannten "Gurdon Institute" in Cambridge.

Stamm- aus Hautzellen

Medizin-Nobelpreis an Stammzellen-Forscher

Der 50-jährige Shinya Yamanaka von der Universität in Kioto, Japan, dankte in einer ersten Reaktion seinem Land, das ihm seine Arbeiten ermöglichte. Er hatte bereits 2006 Aufsehen mit seinen Forschungen erregt. Er reprogrammierte ausgereifte Hautzellen von Mäusen so, dass sie wieder zu den sogenannten pluripotenten Stammzellen wurden. Das sind jene frühen Zellen, die später zu allen Zelltypen im Körper ausreifen können. Er nannte sie "induzierte pluripotente Stammzellen" (iPS). Gelungen ist das Yamanaka und seinem Team durch das Einschleusen spezieller Steuerungsgene. "Interessanterweise erfolgte das nur durch das Einfügen von einigen wenigen Genen", betont das Nobelpreis-Komitee.

Bei aller Freude über diese Anerkennung der Grundlagenforschung wird es noch einige Zeit dauern, bis Gurdons und Yamanakas Forschungen für den Menschen genutzt werden können. "Es gibt noch keine Therapie. Um zu klären, welche Stammzellen dafür genutzt werden können, ist noch viel Forschung notwendig", betont Hengstschläger. Für das Einschleusen der Gene waren spezielle Retroviren nötig. Dadurch könnte die Zelle bereits genetisch geschädigt werden und später zu einer Tumorzelle entarten. Seit 2009 ist es auch möglich, Zellen nur mit Proteinen und ohne Erbgutveränderungen zu verjüngen. Hengstschläger: "Das tumorauslösende Potenzial muss angegangen werden. Heute geht es aber um das Signal, dass auch das Nobelpreis-Komitee diese bahnbrechenden Erkenntnisse der Grundlagenforschung würdigt."

Alle Nobelpreise werden traditionsgemäß am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896), überreicht.

Hier können Sie die Medizin-Nobelpreise der vergangenen zehn Jahre nachlesen.

Stammzellen: Große Medizinhoffnung

Potenzial: Stammzellen wird großes Potenzial eingeräumt, da sie noch nicht auf eine spezielle Aufgabe festgelegt sind.

Embryonale Stammzellen: Sie stammen aus frühen Embryonen, die bei der Gewinnung zerstört werden. Die Methode ist ethisch umstritten.

iPS-Zellen: Sie entstehen durch Rückprogrammierung von Körperzellen und haben Eigenschaften embryonaler Stammzellen.

Adulte Stammzellen: Sie sind etwa im Knochenmark an der Blutbildung beteiligt und werden z. B. bei Knochenmarktransplantationen bei Leukämie genutzt. 

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