Medikament hilft bei langsamem Rauchstopp

Ein neuer Ansatz in der Rauchentwöhnung? Wer bereits in den Wochen vor der letzten Zigarette den Wirkstoff Vareniclin einnimmt, schafft es eher, später langfristig rauchfrei zu bleiben
Einnahme bereits lange vor dem "Tag Null" erhöht Aufhörchancen.

Wer mit dem Rauchen aufhören will, dem wird dazu geraten, einen Tag Null festzulegen, ab dem ein kompletter Rauchstopp durchgezogen wird - keine einzige Zigarette mehr sollte ab diesem Datum konsumiert werden. Entsprechend gut sollte man sich auf diese Umstellung vorbereiten. Doch viele grundsätzlich Aufhörwillige schrecken vor diesem radikalen Schritt - Rauchstopp von einem Tag auf den anderen - zurück.

Jetzt zeigt eine neue, von Ärzten der Mayo Clinic in Rochester, USA, geleitet Studie (erschienen im Journal JAMA) mit rund 1500 Teilnehmern an 61 Kliniken in den USA: Der Wirkstoff Vareniclin (Champix) kann bei einer langsamen, kontinuierlichen Reduktion des Zigarettenkonsums helfen. Bisher wurde Varenicline nur als unterstützende Therapie verschrieben, wenn sich die Studienteilnehmer zu einem kompletten Zigarettenverzicht durchgerungen hatten - aber nicht bereits davor, wenn lediglich die Absicht bestand, später einmal vielleicht ganz mit dem Rauchen aufzuhören.

Rauchstopp längerfristig geplant

Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um Raucher, die sich zwar nicht in der Lage sahen, innerhalb des kommenden Monats komplett mit dem Rauchen aufzuhören - die aber dazu bereit waren, grundsätzlich die Zahl der gerauchten Zigaretten zu reduzieren und innerhalb von drei Monaten einen kompletten Rauchstopp zu versuchen.

Die Raucher wurden in zwei Gruppen geteilt: Eine erhielt Vareniclin, die andere ein Placebo. In der Vareniclin-Gruppe hörten innerhalb von sechs Monaten 32 Prozent der Teilnehmer mit dem Rauchen auf, in der Placebo-Gruppe waren es hingen nur sieben Prozent.

Doch bereits davor zeigten sich Effekte: Nach der vierten Woche hatten in der Medikamentengruppe fast die Hälfte der Probanden die Zahl der täglich gerauchten Zigaretten gegenüber der Zeit vor der Studie um 50 Prozent und mehr reduziert. In der Placebo-Gruppe waren es hingegen nur 31 Prozent.

Vorsichtig positive Reaktion

"Der Ansatz, der in dieser Studie gewählt wurde, ist sehr vernünftig und scheint auch erfolgreich zu sein", sagt Gary A. Giovino, Professor für Gesundheitskompetenz an der State University von New York, in der New York Times. "Aber die Daten einer Studie machen noch keine Fakten. Wir brauchen mehr Studien, die von anderen Auftraggebern finanziert werden wie der Herstellerfirma." Sponsor der jetzigen Studie war der Pharmakonzern Pfizer, der das Medikament auch produziert. Eine Änderung der Behandlungsrichtlinien wird es aber erst geben können, wenn weitere Studien ein ähnlich positives Ergebnis zeigen.

"Von der Idee her finde ich den Ansatz gut", sagt auch Wolfgang Goll, Leiter der Gesundheitseinrichtung Josefhof in Graz, die auf stationäre Raucherentwöhnung spezialisiert ist. "Aber man braucht auf jeden Fall mehr Sicherheit, was die Daten betrifft." Eine vom Hersteller des Medikamentes finanzierte Studie alleine sei da nicht ausreichend.

Grundsätzlich sei das Medikament ein wertvolles Hilfsmittel bei der Raucherentwöhnung: "Wer es bei uns verlangt, der bekommt es auch. Wichtig dabei ist es aber, sehr genau auf die Nebenwirkungen zu schauen." Die Patienten des Josefhof haben aber ebenfalls alle einen nach der ersten Woche Aufenthalt fix festgelegten Tag, an dem sie die letzte Zigarette rauchen.

Der Josefhof ist das Kompetenzzentrum für stationäre Gesundheitsförderung und Prävention der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau.

Häufig Nebenwirkungen

"Vareniclin kann helfen, hat aber sehr häufig Nebenwirkungen", heißt es beim Deutschen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Eine frühere Untersuchung habe gezeigt, dass von 100 Personen, die das Mittel eingenommen, es 24 schafften, für ein halbes Jahr oder länger mit dem Rauchen aufzuhören, ohne Vareniclin waren es elf.

Bei 20 von 100 Personen verursacht Vareniclin Übelkeit, auch Schlaflosigkeit, seltsame Träume und Kopfschmerzen treten auf.

Seit der Zulassung hat es auch einige Sicherheitswarnungen zu Vareniclin gegeben, berichtet das IQWIG. Die Zulassungsbehörden in Europa (EMA) und den USA (FDA) weisen darauf hin, dass Vareniclin möglicherweise das Risiko für Herzinfarkte und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Von 1000 Personen, die Vareniclin nahmen, hatten ungefähr 10 Herz-Kreislauf-Komplikationen, unter Placeo hingegen nur acht. Für Menschen, die bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben, könnte dies besonders bedeutsam sein..

Stimmungsänderungen

Zudem weisen die Behörden darauf hin, dass einige Menschen nach der Anwendung von Vareniclin Depressionen oder Selbstmordgedanken hatten und sich ungewöhnlich verhielten. Dies betraf zum Teil Personen, die vorher keine psychischen Erkrankungen hatten, und auch solche, die trotz Anwendung des Mittels nicht mit dem Rauchen aufgehört hatten.

Daher vermuten die Behörden, dass solche Stimmungsänderungen nicht alleine auf den Verzicht auf Zigaretten zurückzuführen sind, sondern durch das Mittel selbst verursacht worden sein könnten. Die Behörden in Europa und den USA raten Personen, die Vareniclin anwenden, und ihren Ärztinnen und Ärzten, auf Anzeichen für Verhaltens- und Stimmungsänderungen zu achten.

Insgesamt gesehen scheinen ernsthafte Nebenwirkungen von Vareniclin selten zu sein, heißt es beim IQWIG. Eine abschließende Bewertung sei aber noch nicht möglich.

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