Mit Tee gegen Hunger auf Süßes
In Asien werden Maulbeerblätter seit Jahrtausenden aufgrund ihrer gesundheitlichen Vorzüge zu Tee verarbeitet. Bei uns sind die mild schmeckenden, tiefgrünen Blätter noch kaum bekannt. Moderne wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Hauptnahrung der Seidenraupen tatsächlich den Blutzuckerspiegel positiv beeinflussen kann. In Asien nutzt man dies bei Diabetes.
Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer, Diabetes-Expertin an der MedUni Wien, ist immer wieder mit exotischen pflanzlichen Heilmitteln konfrontiert. "Es gibt viele Substanzen in der Natur mit positiven Effekten. In unserer Diabetes-Ambulanz haben wir immer wieder Patienten aus dem asiatischen Raum, die von Pflanzen berichten, die in ihrer Heimat bei Diabetes verwendet werden. Gewisse Effekte dürften tatsächlich vorhanden sein. Das zeigen auch Studien."
Weniger Zucker im Blut
Besonders sticht bei den asiatischen Maulbeerblättern der hohe Wert eines Alkaloids mit dem komplizierten Namen I-Deoxynojirimycin (DNJ) hervor. Es hemmt das Enzym Alpha-Glukosidase, das im Dünndarm Mehrfachzucker aufspaltet, sodass diese ins Blut gelangen können. "DNJ bewirkt also, dass weniger Zucker aus der Nahrung resorbiert wird, der Blutzucker bleibt niedriger", erklärt Kautzky-Willer. Der gleiche Wirkmechanismus eines Alpha-Glukosidase-Hemmers werde in der Diabetes-Therapie mit einem handelsüblichen Medikament eingesetzt.
Deshalb lieber Tee zu trinken statt Medikamente zu schlucken ist aber keine Option in der Therapie der komplexen Stoffwechselerkrankung Diabetes. "Bei Tees, die als medizinische Heilmittel gelten und in Apotheken verkauft werden, sind die Inhaltsstoffe kontrolliert. Bei Tees anderer Herkunft ist immer fraglich, wie viel von der jeweiligen Substanz enthalten ist." Auch seien die Tee-Effekte auf den Blutzuckerwert gering. Bei Gesunden kann sich aber der Heißhunger auf Süßes reduzieren, zeigen Erfahrungsberichte.
Überhaupt stammen die Grundlagen vieler heutiger Medikamente aus dem Pflanzenreich. Kautzky-Willer: "Viele heute verwendeten Substanzen waren Zufallsprodukte." Der Arzneistoff Metformin – "unser Gold-Standard in der Diabetes-Therapie" – stamme aus der Phytomedizin. "Schon im Mittelalter wusste man, dass er in der Schafgarbe vorkommt."
Das neueste Diabetes-Therapieprinzip gehe auf die Rinde des Apfelbaums und das 19. Jahrhundert zurück. Sogenannte SGLT2-Hemmer blockieren in der Niere den Natrium-Glukose-Cotransporter (SGLT2), der für die Glukose-Reabsorption verantwortlich ist. So wird vermehrt Glukose über den Harn ausgeschieden, der Blutzucker bleibt niedrig.
Der Tee ist über Webshops erhältlich. In Wien auch z. B. bei Haas & Haas (1., Stephansplatz 4)
Immer wieder tauchen exotische Pflanzen in unseren Breiten auf, deren Wirkungen in ihren Heimatländern bereits lange wegen bestimmter gesundheitlicher Vorzüge geschätzt werden. Dann ist oft die Rede von „Wundermitteln“ . Und Konsumenten, die ihrem Körper mit sanfter (Natur-)Medizin Gutes tun wollen, greifen dankbar zu.
Bernhard Ueleke ist deutscher Mediziner und forschte an der Berliner Charité über Naturheilkunde. Er ist überzeugt, dass wir „nicht nach Indien, China oder zu den Indianern Nord- und Südamerikas schauen müssen, um Krankheiten naturgemäß zu heilen“. Im Ratgeber „Das große Buch der Klosterheilkunde“ setzt er sich mit Kollegen für die traditionelle Pflanzenmedizin Europas ein, die seit Jahrhunderten in Klöstern praktiziert wurde.
Der Blick auf andere Gesundheitssysteme liege oft in einer Ablehnung des Christentums, schreibt er: „Heilkunde kann man nicht von Spiritualität und Religion lösen. Interessanterweise wird die Akzeptanz der aus asiatischen Traditionen kommenden Heilkunden in keiner Weise von den damit verbundenen religiösen Aspekten eingeschränkt.“ Traditionelle europäische Medizin (TEM) komme aus unserem Umfeld. „Wissen, Pflanzen, Rezepturen und Anleitungen sind unserer Kultur entsprungen. Deshalb können wir sie besser verstehen.“
Neue Forschungsarbeiten würden zeigen, dass auch das Potenzial von TEM und Klosterheilkunde noch nicht ausgeschöpft ist. „Die Wirkung vieler bekannter Pflanzen wie Baldrian und Hopfen beginnen wir erst allmählich zu verstehen.“
Buchtipp
Verlag Zabert Sandmann, 20,60 Euro.
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