Masern-Häufung: Was von einer Impfpflicht zu halten ist

Impfen schützt - nicht nur das eigene Kind
Ministerium überlegt, wie man mehr Menschen motivieren kann, sich impfen zu lassen.

Schlamperei, Nachlässigkeit, Unwissen und auch Impfgegner und -zweifler: Das sind nach den Erfahrungen von Irmgard Lechner, Landessanitätsdirektorin von Niederösterreich, die Gründe für Impflücken bei Masern. Wie berichtet, wurden mit 32 Fällen im Jänner bereits mehr Erkranungsfälle registriert als 2016 gesamt.

"Solange sich die Menschen nicht impfen lassen, werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen", sagt Lechner. Sie rechnet noch bis März oder April mit einem verstärkten Infektionsaufkommen. In Niederösterreich liegt man derzeit bei 16 bestätigten sowie zwei Verdachtsfällen, in der Steiermark bei 14 Erkrankten.

Impfpflicht: Prüfung

Von einer Ausrottung der Masern, wie sie die WHO für 2015 erreichen wollte, ist man weit entfernt. Österreich zählt im europäischen Vergleich mit Kroatien und Deutschland zu den Schlusslichtern. Im Gesundheitsministerium wird geprüft, ob die derzeitigen Rahmenbedingungen ausreichen oder eine Impfpflicht zielführender sei. Volksanwalt Günther Kräuter etwa fordert diese. Univ.-Prof. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin, MedUni Wien, hält davon wenig. "Impfzwang ist negativ besetzt. Es ist eine Frage der Formulierung. Man sollte besser daran erinnern, dass jeder auch einen Auftrag im Sinne der Allgemeinheit hat. Man schützt nicht nur sich selbst, sondern sein gesamtes Umfeld."

Masern gelten als hochansteckend, eine behördliche Meldepflicht besteht. Ist die Erkrankung einmal bekannt, laufen über die Landesgesundheitsbehörden Maßnahmen, um weitere Infektionen zu vermeiden. "Wir erheben unter anderem alle Kontaktpersonen in Familie und Umfeld sowie deren Impfstatus", erklärt Lechner das Prozedere. Ist es innerhalb von 72 Stunden nach dem Kontakt noch zu keiner Ansteckung gekommen, kann ein Ausbruch mit einer Impfung verhindert werden. Auch andernfalls werde geimpft. "Die Erkrankung wird dadurch abgemildert."

Kindergarten

In Kindergärten und Schulen werden sogenannte Verkehrsbeschränkungen ausgesprochen. "Nicht-Geimpfte können bis zu drei Wochen vom Besuch der Einrichtung ausgeschlossen werden." Das gilt übrigens auch für den Arbeitsplatz. Vor Weihnachten mussten etwa wegen eines Masernfalls in einer niederösterreichischen Firma von 100 Mitarbeitern 25 zu Hause bleiben. Derartige aufwendige Maßnahmen zeigen, dass es sich bei Masern um keine harmlose Kinderkrankheit handelt, wie viele glauben. Auch deshalb, weil die Folgen von Masern-Nebenwirkungen nicht mehr so häufig wie früher sichtbar sind. Mit Einführung der Impfung ab 1965 ging die Häufigkeit der Krankheit stark zurück. "Bei den ab 1970 Geborenen gibt es mittlerweile ganze Elterngenerationen, denen das Bewusstsein dafür fehlt", sagt Wiedermann-Schmidt.

Impflücke

"Wir wissen, dass es eine Impflücke bei den jungen Erwachsenen gibt", ergänzt Marianne Wassermann-Neuhold, in der steirischen Landessanitätsdirektion für das Impfwesen zuständig. Ein größerer Teil der Ungeimpften falle in diese Altersgruppe.

Im Gesundheitswesen ist der Schutz der betreuten Menschen noch wichtiger. Viele Spitalsträger verlangen einen Nachweis des Impfschutzes. Dies betrifft etwa auch die MedUni Graz, die diese Verpflichtung der KAGES mit der Zulassung zum Studium einfordert. Ohne diese Nachweise könne eine Tätigkeit im "patientennahen Bereich nicht gestattet werden". An der MedUni Wien werden Studenten in ein Impfprogramm aufgenommen. Es gibt aber Überlegungen, bei Neuanstellungen den aufrechten Impfschutz als Kriterium in den Dienstvertrag einzubeziehen.

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