Manipulationstricks und wie man sich davor schützt
Wer die Spielregeln der Beeinflussung kennt, kann sie besser nutzen – und sich vor ihnen schützen von ute Brühl Wer kennt nicht das ungute Gefühl, wenn man sich überrumpelt fühlt? Man kauft z. B. einen Wein, der eigentlich viel zu teuer ist. Oder verspricht, einem Freund zu helfen, obwohl man kaum Zeit hat. Wer die Techniken der Manipulation kennt, kann sich leichter dagegen wehren, meint Ökonom und Soziologe Johannes Steyrer.
KURIER: Ich mag weder Wintersport noch -urlaub. Wie bringen Sie mich dazu, dass ich Ski fahre? Johannes Steyrer: Der größte Fehler wäre, Ihre Einstellung ändern zu wollen. Warum? Wir alle glauben, dass Menschen das tun, was sie wollen. Natürlich. Aber auch das Gegenteil trifft zu: Menschen wollen das, was sie tun. Eine Grundregel der Manipulation lautet deshalb, nicht Einstellungen, sondern Handlungen zu beeinflussen. Eine Taktik ist daher die Fuß-in-die-Tür-Technik. Die direkte Frage, ob eine Frau auf einen Drink mitgehen möchte, war bei einem Test nur in drei Prozent der Fälle erfolgreich. Erkundigten sich die Männer zuvor nach einer Straße und sprachen dann erst die Einladung aus, nahmen 16 Prozent der Frauen die Einladung an.
Gut. Und wie bringen Sie mich jetzt zum Skifahren? Erstens: Ich biete zum Sonderpreis einen Wellness-Urlaub in den Bergen an. Zweitens: Dort gibt es viele sympathische Gäste, die Ski fahren. Drittens: In Ihrem Zimmer finden Sie einen Gratisgutschein für einen Skitag samt Skilehrer. Viertens: Als Journalistin sollen Sie einen Artikel über das Positive am Skifahren schreiben. Wetten: Ihre Einstellung ändert sich.
Werden Sie als Experte noch „Opfer“ solcher Tricks? Was raten Sie Menschen, die sich leicht manipulieren lassen? Selbst wer alle Tricks kennt, fällt immer wieder hinein. Ich kämpfte lange dagegen an, eine neue Küche anzuschaffen. So lange, bis ein Hersteller 50 Prozent Rabatt versprach. Aber es waren nur Ober- und Unterschränke reduziert. Regaleinsätze, Ausziehfächer, Sockelläden etc. nicht. Auch hatten wir nicht an eine Induktionsgrillplatte, einen integrierten Wine-Safe und einen Kühlschrank mit Ice-Crush-Funktion gedacht. Wir wollten nicht mehr als 15.000 Euro ausgeben. Es sind dann 24.000 Euro geworden. Wie das? Der Wine-Safe für 400 Euro war in Relation zu den schon ausgegebenen 20.000 Euro ein Kinkerlitzchen. So geraten wir Menschen in einen Kaufrausch.
Was ist der beste Schutz gegen Manipulation? Man muss lernen, Nein zu sagen. Gegenüber Lockvogelangeboten wappnet man sich mit der Frage, ob man das Produkt zum alten Preis gekauft hätte. Wenn nicht, dann die Finger davon lassen.
Wo sehen Sie die Gefahren der Manipulation?Wir haben eine ungeheure Neigung, uns die Welt schön zu reden. Wir wollen nicht wissen, was richtig oder falsch ist, sondern wollen Recht behalten und suchen nach bestätigenden Informationen. Das war immer schon so. Was ist heute anders? Häme und Gerüchte hat es immer gegeben. Dann wurde im Wirtshaus darüber debattiert. Aber beim digitalen Facebook-Wirt befinden sich Hunderttausende am Stammtisch. Nirgendwo sonst gehen Handlungen so leicht von der Hand, wie an der Tastatur. Zudem liefern die Algorithmen von Google und Co. uns frei Haus, was wir hören wollen. All das manipuliert unsere Einstellungen. Es gibt nichts Vergleichbares in der Geschichte der Menschheit.
In Zeiten von Fake News verkommen Diskussionen immer mehr zu politischen Manipulationen. Wie kann sich der Einzelne wehren? Welche Aufgabe haben die Medien? Medien tragen selbst dazu bei, ein verzerrtes Bild von der Welt zu zeichnen. Warum? Untersuchungen zeigen, dass wir auf Negatives dreimal stärker als auf Positives reagieren. Only bad news are good news! (Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, Anm.) Unterhalb des Weltuntergangs schalten wir den medialen Apparat gar nicht ein. Daher zeichnen Medien vielfach ein falsches, zu pessimistisches Bild von der Welt. Diese ist viel besser in puncto Krieg, Terror, Katastrophen etc. als wir glauben. Natürlich gibt es seriöse Medien, aber ich befürchte, dass sie durch die sozialen Medien immer mehr an Relevanz verlieren.
Wann ist es legitim, andere zu manipulieren?
Nehmen wir das Beispiel der Impfgegner. Das sind Trittbrettfahrer, die die Gesundheit aller gefährden. Studien zeigen, dass ihren Ängsten nicht damit beizukommen ist, ihnen zu sagen, es gebe keine wissenschaftlichen Belege für Gefahren. Was hilft? Krasse, bildlich gezeigte Einzelbeispiele z. B. von Kindern, die an einer Infektion gestorben sind. Auch Schockbilder auf Zigarettenpackungen sind manipulativ – sie sind trotzdem legitim.
Vergräme ich andere, wenn ich sie häufig manipuliere? Wir alle reagieren gegenüber Beeinflussung höchst allergisch. Der Trick der Manipulation liegt genau darin, dass Menschen die Beeinflussung nicht merken. Wem fallen schon die Echokammern im Internet wirklich auf. Merken es die Menschen, dann ist die Beziehung nachhaltig gestört.
Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Kann man „nicht nicht manipulieren?“ Watzlawick spricht verbales und non-verbales Verhalten an. Natürlich kann man sich nicht Nicht-Verhalten. Manipulation hat aber drei Merkmale: Sie nützt primär dem Beeinflusser. Sie wird nicht durchschaut. Und: Der Beeinflusste glaubt, sich frei entschieden zu haben. Obwohl wir alle – Partner, Eltern, Lehrer, Verkäufer etc. – andere manipulativ beeinflussen, ist das nur ein Teilaspekt unseres Verhaltens.
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