Lieber früher schwanger als später
Alles scheint heutzutage möglich: Zuerst Karriere und erst jenseits der 40 Mutter werden – oder im Pensionsalter nochmals Vater. Die Bilder von glücklichen Schwangeren wie "Desperate Housewife" Marcia Cross (Zwillinge mit 44) oder Homestorys über ältere Mehrlingseltern verzerren allerdings die Realität, sagen Reproduktionsmediziner.
"Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, sinkt ab 38 Jahren deutlich". sagt Univ.-Prof. Andreas Obruca vom Kinderwunschzentrum in der Wiener Privatklinik Goldenes Kreuz. Manche Frauen sind noch früher betroffen. Viele Paare lassen sich von Medienberichten und Erfolgsgeschichten blenden. "Sie haben die Promi-Bilder im Hinterkopf und lassen sich erst Recht Zeit. Es gibt ja eh die künstliche Befruchtung", ergänzt sein Kollege Univ.-Prof. Heinz Strohmer. Die Hälfte der rund 700 Patientinnen, die 2012 erstmals ins Zentrum kamen, sind tatsächlich älter als 38.
Dass es schon jenseits der 30 immer schwieriger wird, schwanger zu werden, ist vielen Paaren gar nicht bewusst. "Die Qualität von Ei- und Samenzellen nimmt stark ab. Wir können nur vorhandene Eizellen stimulieren", erklärt Obruca. Gründe für den Rückgang der Fruchtbarkeit mit steigendem Alter sind – wie bei allen Körperzellen – die Alterungsprozesse. Dazu kommen Umwelteinflüsse oder Hormonstörungen. Beim Mann können auch Stress oder etwa Krampfadern die Spermienbeweglichkeit beeinträchtigen. Die Zellalterung ist auch ein Hauptgrund, warum in späteren Jahren Fehlgeburten zunehmen und die Geburtenrate sinkt. Obruca: "Ab 45 Jahren gibt es realistisch gesehen keine statistisch relevanten Geburtenzahlen."
Früh
Die Experten plädieren dafür, bei unerfülltem Kinderwunsch möglichst früh Spezialisten beizuziehen, um nicht noch mehr "fruchtbare" Zeit zu verlieren. "Bei einer 38-jährigen Frau würde ich – im Gegensatz zu einer gesunden 30-Jährigen – nicht mehr empfehlen, es noch ein Jahr auf natürlichem Weg zu versuchen, sondern gleich Risiken und Problemfelder abklären lassen", sagt Strohmer. Vor dem 40. Lebensjahr kann eine Patientin statistisch gesehen bei drei Versuchen einer In-vitro-Fertilisation (IVF, künstliche Befruchtung) mit einer Schwangerschaftsrate von 85 Prozent rechnen. Je älter, desto geringer die Chance, dass sich eine befruchtete Eizelle optimal teilt und in der Gebärmutter einnistet. Durch die Fortschritte der IVF-Techniken konnte die Schwangerschaftsrate (ein Versuch) österreichweit im Schnitt seit 2001 zwar von 22,8 auf 31,1 Prozent gesteigert werden. "Leider endet aber noch immer nicht jede erfolgreiche Schwangerschaft in einer Geburt."
Rechtslage: Eizellspende bleibt verboten
In Österreich regelt das Fortpflanzungsmedizingesetz die sogenannte "medizinisch unterstützte Fortpflanzung". Erlaubt ist etwa die "Vereinigung von Ei- und Samenzelle außerhalb des Körpers einer Frau" und das "Einbringen von entwicklungsfähigen Zellen in Gebärmutter oder Eileiter". Verboten sind u. a. Eizellspenden und Präimplantationsdiagnostik (PID). Das sind Untersuchungen des Embryos auf Gendefekte noch vor dem Einsetzen in die Gebärmutter. Die Mehrheit der österreichischen Bioethikkommission hat sich vergangene Woche für die Zulassung der Eizellspende und der PID ausgesprochen.
Für die Reproduktionsmediziner Andreas Obruca und Heinz Strohmer, Goldenes Kreuz, "ein wichtiger Schritt". An den derzeitigen Verboten werde diese Empfehlung aber vorerst nichts ändern. Deshalb kooperiere man weiterhin mit Partnerkliniken. Pro Jahr erhalten etwa in Bratislava 100 Patientinnen eine Eizellspende. "Verzweifelte Patientinnen können wir nicht auf eine Gesetzesänderung in einigen Jahren vertrösten."
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