Leben nach dem Tod: Das sagen die Weltreligionen

Leben nach dem Tod: Das sagen die Weltreligionen
Der Tod ist nicht das Ende – da sind sich die Weltreligionen einig. Was alle Religionen eint und was sie trennt.

Selbst die spanischen Missionare sind daran gescheitert – den Einheimischen Día de los Muertos auszutreiben. Schließlich hatten schon die Azteken in prähistorischer Zeit das fröhliche Totengedenken zelebriert. Bis heute ist ganz Lateinamerika der Meinung, dass in den Nächten des 1. und 2. Novembers die Toten für ein paar Stunden zu Besuch aus dem Jenseits kommen. Dafür werden sie im Diesseits mit viel Tamtam begrüßt und mit ihrem Lieblingsessen gestärkt.

Die Kirche arrangierte sich damit und legte Día de los Muertos mit ihren eigenen Totengedenktagen Allerheiligen und Allerseelen zusammen – die Idee vom Leben nach dem Tod als Brücke zwischen den Religionen. Schließlich hat die UNESCO den Feiertag sogar zum „Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“ ernannt.

Friedhof der Konfessionen

Bis heute ist man in Mexiko besonders konsequent in dem Glauben, dass der Tod der Anfang für ein neues Leben in einer anderen Welt ist. Wobei: Das Konzept ist allen Weltreligionen gemeinsam, wie Gerald Hödl, Religionswissenschaftler an der Universität Wien, erklärt: „Totengedenken ist weit verbreitet, und Speiseopfer kennen zum Beispiel auch die Buddhisten.“

Hödl unterscheidet zwischen den sogenannten abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) und den Religionen indischen Ursprungs (Hinduismus und Buddhismus), „weil es da ganz unterschiedliche Zeitvorstellungen gibt. Die abrahamitischen Religionen kennen einen Anfang – als Gott die Welt schuf – und ein Ende – das hohe Gericht. Dementsprechend herrscht hier die Idee vor, dass man einmal lebt und am Ende der Tage die Toten auferweckt werden.“

In den indischen Religionen dagegen dominiert die Idee des Karma – das Handeln eines Lebewesens hat Konsequenzen für zukünftige Existenzen – und die Wiedergeburt.

Für die Frage, was danach kommt, haben die fünf großen Weltreligionen teilweise sehr unterschiedliche Konzepte (siehe unten). Kaum eine Religion legt sich aber wirklich fest. Wissenschaftler Hödl: „Fest steht, dass in den abrahamitischen Religionen die Guten in den Himmel und die Bösen in die Hölle kommen. Die Idee eines Weltgerichtes ist verbreitet und dürfte bereits im alten Ägypten aufgekommen sein: Die einen erlangen ewige Glückseligkeit, die anderen sind zu ewiger Verdammnis auserkoren. Das haben die abrahamitischen Religionen eindeutig von den Ägyptern übernommen.“

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Christentum

Das Leben nach dem Tod ist zentraler Bestandteil des christlichen Glaubens. Die Idee: So wie Jesus nach seinem Tod auferstanden ist, werden auch die Menschen wieder auferstehen. Ob sofort nach dem Tod oder erst beim jüngsten Gericht, wird von Christen unterschiedlich interpretiert. Für die Theologin Regina Polak handelt es sich bei der biblischen Erzählung um „keine Beschreibung im naturwissenschaftlichen Sinn“. Heißt: In welcher Form  man weiterlebt, ist nicht gesagt. Laut katholischer Tradition wird der Christ mit Leib und Seele auferstehen.  
Gruselige Bilder von Hölle und Fegefeuer, wie man sie z.B. aus der Kunst kennt, seien in der zeitgenössischen Theologie passé: „Das Fegefeuer ist ein Bild. Es erzählt von dem Reue-Schmerz, den wir erfahren, wenn wir vor Gott mit unserer moralischen Unvollkommenheit konfrontiert werden“, sagt Polak. Die christliche Botschaft lautet: „Christen vertrauen darauf, dass dieser Schmerz und der Tod nicht das letzte Wort haben werden, es ist vielmehr ein Übergang. Der Mensch hat ein Leben lang und bis spätestens zu seiner Begegnung mit Gott im Tod  die Chance, seine Fehler zu bereuen und bereit zu werden für die Liebe. Das ist ein völlig anderes Konzept als bei der Reinkarnation.“

 

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Judentum

Wenn einst der Messias erscheint und durch das  Goldene Tor nach Jerusalem hereinkommt, werden die Toten wieder auferstehen und alle Menschen in Frieden zusammenleben. Diese Vision wird in jüdischen Gebeten herbeigesehnt. Bis dahin verbringen die Seelen guter Menschen ihre Zeit im Garten Eden, dem Paradies. „Mit dem Leben nach dem Tod beschäftigen sich die jüdischen Weisen verhältnismäßig wenig, noch weniger mit dem Konzept der Hölle“, erklärt Awi Blumenfeld, Institutsleiter für Jüdische Religion der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/ Krems.
Es gehe den Juden mehr um das Diesseits und die Auswirkungen auf das spätere Leben der Seele. Die Hinterbliebenen  sprechen im ersten Jahr täglich das Totengebet Kaddisch. Wer ein jüdisches Grab besucht, legt als Zeichen seiner Anwesenheit einen Stein dorthin. Jährlich am Todestag kehrt die Seele zum Friedhof zurück, so die Idee, und erkennt, wie viele Menschen sich dem Verstorbenen noch immer verbunden fühlen.
Die Erweckung findet nicht nur in ferner Zukunft statt, sagt Blumenfeld. „Jede Nacht  verbindet sich die Seele mit seiner göttlichen Quelle, glauben Juden. Im Morgengebet bedanken sie sich, dass Gott ihre Seele wieder zurückgeschickt hat.“

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Hinduismus

Samsara (Kreislauf der Wiedergeburten) ist das, worum sich alles im Hinduismus dreht:  „Es geht darum, Atman, die Seele des Einzelnen, mit dem Brahman, dem Ewigen,  wiederzuvereinigen“, erklärt der Religionswissenschafter Gerald Hödl.
 Der Tod ist für die Hindus  ein Neubeginn – in einem neuen Leben.  Danach wird die Seele nämlich in einem anderen Lebewesen wiedergeboren. Ob als Mensch, Tier, Pflanze oder Einzeller hängt vom Karma ab – also seinen Taten,  Gedanken, Absichten und Sehnsüchten. Das heißt: Je mehr gute Taten ein Mensch während seines Lebens anhäufen kann, desto besser steht es um seine Wiedergeburt. Hödl: „Für die Hindus wird ein Mensch so lange wiedergeboren, bis er eine so gute Existenz erlangt hat, dass er aus dem Kreislauf des Geborenwerdens und Sterbens heraustritt.“ Als Mensch wiedergeboren zu werden, gilt als besonders erstrebenswert. Denn nur dann besteht die Möglichkeit, dem Kreislauf der Wiedergeburten zu entfliehen.  Und diese Befreiung, Moksha genannt,  ist das Ziel des menschlichen Lebens.
Hödl: „Da sprechen wir von riesigen Zeitzyklen, Milliarden von Jahren, innerhalb derer die Welt entsteht und vergeht, entsteht und vergeht ...“

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Islam

Gläubige, die für ihre guten Taten belohnt, Ungläubige, die bestraft werden: Paradies und Hölle gehören auch zum Islam. Muslime gehen davon aus, „dass die Seele in einem nicht näher bestimmten Raum weiterlebt“, sagt Religionswissenschaftler Gerald Hödl. Dort wartet auf sie Auferstehung und Jüngstes Gericht. Der Tod wird als Übertritt in eine andere Ebene des Lebens gesehen. Hödl: „Im Islam ist die Idee einer Brücke verbreitet, über die man nach dem Tod geht – für die Gerechten ist sie breit genug, für die anderen nicht. Sie fallen hinunter in die Verdammnis.“
Der Todesengel Izrail trennt  Körper und Seele voneinander. Gute Seelen werden von ihm in die sieben Himmel vor Gott gebracht. Danach gelangen sie wieder in ihren Körper, womit der Zwischenbereich (Barzach) beginnt. Schlechte Seelen werden nur bis zum ersten Himmel gebracht, wo ihnen der Zutritt verwehrt wird. Auch diese Seelen gelangen zurück in den eigenen Körper und verweilen dort im Zwischenbereich, wo ihnen zwei Engel Fragen zu ihrem Glauben stellen: Beantworten sie diese richtig, wird ihnen ein Leben im Paradies nach der Auferstehung in Aussicht gestellt. Beantworten sie die Fragen falsch, wartet die Hölle. Am Tag des Jüngsten Gerichts werden alle Toten auferweckt und gute wie schlechte Taten eines jeden Menschen auf eine Waage gelegt. 

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Buddhismus

Weil sich der Buddhismus aus dem Hinduismus entwickelt hat, sind auch die Jenseits-Vorstellungen ähnlich. „Die Idee des Buddha war, dass es am Menschen nichts gibt, was dauerhaft ist.  Der Buddhismus ist also der Kreislauf von Entstehen und Vergehen“, sagt Religionswissenschaftler Gerald Hödl. Gleichzeitig müsse es aber  eine Möglichkeit geben, aus diesem Kreislauf zu entfliehen – „erlöst zu werden; dann wird man Buddha und geht ins Nirvana“.
Buddhisten sehen die ständige Wiedergeburt als eine leidvolle Erfahrung. Denn das Leben wird begleitet von den drei Wurzeln des Unheilsamen: Gier, Hass und Wahn. Sie müssen überwunden werden, um den Zustand des höchsten Glücks, das Nirwana, zu erreichen. Das  ist übrigens kein Ort und nicht vergleichbar mit Paradies oder Himmel. Es ist ein Zustand. Im Nirwana geht der Geist eine andere Existenzweise ein. Religionswissenschaftler Hödl: „Das Komplizierte im Buddhismus ist, dass es eine Jenseitsvorstellung gibt, aber eine doppelte. Man kann als Gott geboren werden, der aber ganz anders ist als der, den wir kennen – kein Gott, der letztverantwortlich für die Welt ist. Buddhistische Götter unterliegen auch dem Kreislauf des Entstehens und Vergehens.“

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