Krebsforschung: Gefahr, dass Österreich zurückfällt

Krebszelllen: Österreich könnte auch bei der Verfügbarkeit moderner Medikamente zurückfallen
Ärzte warnen: Ohne Investitionen ist Top-Position gefährdet.

Österreichische Krebsspezialisten sorgten in den vergangenen Jahren oft für Erfolgsmeldungen: Durch Studien, die zu Fortschritten in der Therapie führten oder durch den extrem raschen Einsatz neu zugelassener Medikamente bei ihren Patienten. Aber jetzt droht Österreich von anderen Ländern überholt zu werden, warnten Dienstag prominente Mediziner der MedUni Wien / AKH Wien.

"Wir leben in einer Ära, die von einer Veränderung der Werte gekennzeichnet ist", sagte der Wiener Onkologe Christoph Zielinski. Viele Mittel würden in Institutionen – "ich denke da an eine Bank im Süden" – fließen, von denen der Einzelne nicht unmittelbar einen Nutzen habe: "Wir müssen sehr aufpassen, dass der Benefit des Individuums nicht zugunsten des Benefits für das ,System‘ auf der Strecke bleibt." Hier müssten die Österreicher eine "Verteidigungshaltung" einnehmen, damit "uns das, was wir haben, nicht wieder weggenommen wird".

Der zweite Problempunkt betreffe die Grundlagenforschung und die akademische Forschung in den Kliniken: "Hier sehe ich nicht, was ich dauernd höre, dass Forschung unterstützt wird."

Bescheidene Ansätze

Strahlentherapeut Richard Pötter: In Österreich werde Forschung an den Kliniken – abgesehen von durch die Pharmaindustrie ermöglichten Studien – "praktisch nicht finanziert. Es gibt nur ganz bescheidene Ansätze – und damit wollen wir mit den USA und Europa wettbewerbsfähig sein".

Die Krebsforschung im Wiener AKH trage ein Prozent zum jährlichen Wissenszuwachs auf diesem Gebiet bei, betonte Zielinski: "Das ist relativ viel für eine Einrichtung, und diese Position muss ausgebaut werden – denn nur mit Erhalt des Bestehenden werden wir zurückfallen."

Ähnlich der Brustkrebsspezialist Günther Steger: "Wir laufen Gefahr zurückzufallen – durch Nicht-Fortschritt." So fehle es an Zentren, die die Forschung vorantreiben: "Im Moment sind wir nur Trittbrettfahrer."

Zielinski und seine Kollegen kritisieren aber auch die Ungleichheiten in Europa beim Zugang zu Therapien: "Wir sind umgeben von Ländern, in denen der Zugang zu neuen Medikamenten sehr schwer ist" – teilweise sogar in Deutschland.

Zielinski gehört einer Expertengruppe an, die eine Grundrechtscharta für europäische Krebspatienten erarbeitet und dem Europäischen Parlament übergeben hat – im Mittelpunkt stehen das Recht auf Information und auf eine optimale Behandlung mit den neuesten Therapieverfahren. Ziel sei, dass in der gesamten EU innerhalb von drei Monaten nach der Zulassung moderne Medikamente von den Kassen bezahlt werden.

Wie stark Patienten von ganz neuen Entwicklungen profitieren, zeigte Onkologe Steger auf: Wird etwa bei bestimmten Brustkrebspatientinnen mit Metastasen ein neuer Antikörper mit bestehenden Therapien kombiniert, kann ihre Überlebenszeit – im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie – deutlich verlängert werden.

Bei einer Strahlentherapie kann heute das bestrahlte Areal wesentlich exakter eingegrenzt werden als früher – immer genauer könne der Tumor getroffen werden, die Nebenwirkungen sind deutlich geringer, sagt Richard Pötter, Leiter der Uniklinik für Strahlentherapie MedUni / AKH Wien. Doch leider sei Österreich in der Strahlentherapie nicht im Spitzen-, sondern nur im gemäßigten Mittelfeld: "Vor allem in Ostösterreich ist die Versorgungssituation (mit Strahlentherapiegeräten, Anm.) problematisch. Wien ist ab Freitag Veranstaltungsort des Kongresses der europäischen Strahlentherapie-Gesellschaft.

Krebstag im Rathaus

Kommenden Samstag, 5.4., findet im Wiener Rathaus der "Krebstag 2014" statt. Von 11 bis 16.30 Uhr gibt es zahlreiche Vorträge zu den Themen Brust- und Dickdarmkrebs, Prostatakarzinom sowie Leukämien und Lymphome. Mehr Infos unter www.leben-mit-krebs.at

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