Krebs-Therapie mit Methadon sorgt für Aufregung

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Manche Patienten sehen die Substanz als letzte Hoffnung. Experten warnen vor falschen Erwartungen, zu wenig Belegen - und vielen Risiken.

Methadon, das vor allem aus der Substitutionstherapie für Heroinabhängige bekannt ist, soll die Wirkungen einer Chemotherapie verstärken oder überhaupt ersetzen: Seit Berichten im deutschen Fernsehen im April (unter anderem Stern-TV) hat sich ein richtiger Hype um das starke Opioid entwickelt. Die Folge sind verunsicherte Patienten. Onkologen warnen allerdings vor dem vermeintlichen „Wundermittel“. Die wissenschaftliche Evidenz ist nicht gegeben. Methadon als Krebstherapie anzubieten ist für Krebsspezialist Univ.-Prof. Christoph Zielinski, Onkologe an der Wiener MedUni, „völlig inakzeptabel – auch aus ethischen Gründen“.

"Falsche Erwartungen werden geweckt"

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Verzweifelte Krebspatienten sehen in unkonventionellen Therapien oft eine letzte Hoffnung. Auch bei der österreichischen Krebshilfe haben die Anfragen zu Methadon in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. „Wir verurteilen es aufs Schärfste, dass zu einem Zeitpunkt, wo noch keine ausreichende Evidenz vorhanden ist, damit an die Öffentlichkeit gegangen wurde und Hoffnungen bei Schwerkranken geweckt werden.“

Hype seit Fernsehberichten

Seit die deutsche Chemikerin Claudia Friesen, die am Institut für Rechtsmedizin des Uniklinikums Ulms arbeitet, in TV-Sendungen im April über ihre Studien berichtete, ist Methadon ein viel diskutiertes Thema geworden. Friesen weist jedoch den Vorwurf, falsche Hoffnungen zu wecken, zurück. Sie habe sich stets von Versprechen auf Heilung von Krebs distanziert.

Wirkweise soll Chemo verstärken

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Methadon in the medicine
Methadon dockt an Opioidrezeptoren auf Nerven- und Körperzellen an und blockiert diese. „Dadurch wirkt es schmerzstillend und entspannend, erklärt Prim. Ansgar Weltermann, Leiter des Tumorzentrums gespag-Elisabethinen in Linz in der Fachzeitschrift „krebs:hilfe“. Diesen Mechanismus habe Friesen bei Krebszellen als möglichen Wirkmechanismus für eine gesteigerte Wirksamkeit von Chemotherapien postuliert. „Indem Methadon diese Zellen blockiert, werden die Funktionen des Rezeptors stark reduziert, und die Zellen sind anfälliger oder aufnahmebebereiter für eine Chemotherapie.“

Einzelberichte

Friesens Forschung fand unter anderem auch deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil bei einigen Patienten tatsächlich eine Besserung durch Methadon beobachtet worden sein soll. In der Medizin gelten Einzelfälle aber nicht als Beweis. Wissenschaftlich betrachtet entsprechen Friesens Untersuchungen allerdings nicht den üblichen Standards. In diesen muss die Wirksamkeit eines Medikaments auch in großen, systematisch angelegten Studien im Vergleich zu einem Placebo gestestet werden.

Studie mit nur 27 Patienten

„Die im März 2017 veröffentlichte Studie wurde an 27 Patienten mit Gliomen (Gehirntumoren) in unterschiedlichen Stadien, unterschiedlichen Krankheitssituationen und mit unterschiedlichen Risikofaktoren durchgeführt“, betont die „Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie“ (OeGHO) in einer aktuellen Stellungnahme. „Die vorgelegten Daten zur Wirksamkeit bei Patienten mit Gliomen beruhen auf einer einzigen unkontrollierten Studie. Die Daten müssen in kontrollierten klinischen Studien überprüft werden.“ Weltermann sieht das ebenso: „Die Studie an 27 Krebspatienten ist einfach nicht geeignet, um eine Therapieempfehlung abzuleiten.“

Patienten setzten Ärzte unter Druck

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Das hindert Patienten aber nicht, diese Therapie einzufordern. Friesen selbst berichtet von 200 bis 1000 Anfragen pro Tag. Sie vermittle diese an ein Netzwerk aus Ärzten weiter. Doch andere Ärzte in Deutschland berichten ebenso, von Patienten unter Druck gesetzt zu werden. Viele glauben, ihnen werde eine wirksame Therapie vorenthalten. Ein Argument, das auch im Internet diskutiert wird. Dahinter stecke die Pharma-Industrie, die ein vergleichsweise günstiges Medikament aus dem Blickwinkel ihrer Gewinne nicht zulasse. Dem widerspricht Ansger Weltermann. „Niemand hat Interesse daran, teure Therapien aufrechtzuerhalten, wenn es vergleichbar effektive und gleichzeitig günstigere Alternativen gibt. Im Fall von Methadon ist es einfach so, dass wir keine ausreichenden wissenschaftlichen Beweise haben.“

Risiken und Nebenwirkungen werden zuwenig beachtet

Schmerzmediziner und Onkologen sprechen von einer durchaus problematischen Substanz. Im deutschen „Ärzteblatt“ und auch im Schweizer Fernsehsender SRF berichten Mediziner von Notfällen, die durch Überdosierungen aufgetreten sind. Die Dosierung von Methadon ist generell schwierig, das Risiko einer Überdosierung hoch. Es werde von Mensch zu Mensch auch unterschiedlich schnell abgebaut. Dazu kommt es zu Nebenwirkungen wie Verstopfung, Übelkeit oder Ängsten. Das werde in der Debatte verharmlost.

Bei der österreichischen Krebshilfe bemühe man sich, über die vorliegenden Fakten zu informieren. „Wir können uns nur auf dem Boden der Evidenz bewegen und müssen oft Fehlmeinungen wieder geraderücken. Auch wenn wir dabei manchmal Hoffnungen zerstören.“

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