Klimawandel: Der Frühling hat es immer eiliger

Klimawandel: Der Frühling hat es immer eiliger
Die Jahreszeiten haben sich verändert. Die Klimaerwärmung zieht den Zyklus der Pflanzen immer weiter nach vorne.

Laut astronomischem Kalender hat der Frühling gestern begonnen. Endlich. Und hoffentlich bringt er, was sich die meisten Menschen von ihm erwarten. Die Wettervorhersagen für die nächsten Tage schauen gut aus. Doch wann wird das gute Wetter so richtig Einzug halten, ohne Kälteeinbrüche und frostige Nächte?

Den Klima-Experten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) sind keine Frühjahrs-Prognosen zu entlocken. „Alles ist möglich“, befinden Alexander Orlik und Thomas Hübner. Hübner ist Phänologe und beobachtet die Veränderung des Klimas anhand der Vegetationsperiode der Pflanzen – diese ist in zehn Jahreszeiten gegliedert; Orlik sammelt und bewertet Klimadaten und Wetterextreme. Er weiß, wann der heißeste Sommer seit Messbeginn war und wo der Frühling in Europas gemäßigter Zone früher da ist als anderswo (siehe kommenden Samstag).

Schnell und kurz

Dass sich das Klima ändert, ist bekannt. Global liegt die Erwärmung seit Messbeginn 1880 bei 0,8 Grad. In Österreich und Mitteleuropa bei 1,6 Grad. Phänologische Daten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, zeigen einen deutlichen Trend: „Der Frühling beginnt immer früher und ist auch schneller vorbei“, sagt Orlik. Ein Extrembeispiel dafür war 2018: Da lief die beliebte Jahreszeit mit sommerlichen Temperaturen von bis zu 25 Grad im April geradezu im Turbo durch, ging sofort in den Sommer über. Ein Ausnahmemonat: Denn das war der wärmste April seit rund 200 Jahren. Und läutete gleichzeitig das heißeste Sommerhalbjahr seit Messbeginn ein. Ein Sonderfall, der sich laut Klimatologen über die Jahre häufen könnte.

Früher aufgeblüht?

Es sind die „Zeigerpflanzen“, die verraten, in welcher Jahreszeit wir uns befinden, etwa die Hasel für den Erstfrühling, der Schwarze Holunder für den Sommer. So begann die Hasel während der letzten Jahre ab etwa Mitte Februar zu blühen beziehungsweise zu stäuben, während der Blühbeginn in den 50er-Jahren auf Anfang März fiel. Ähnlich die Marille, sie hat ihren Blühbeginn während der letzten 50 Jahre von Anfang April auf die letzte Märzwoche vorverlegt. Heuer hat sie im Wiener Becken überhaupt schon vor Mitte März mit der Blüte begonnen.

Das Phänomen der frühen Blüte existiert nicht nur in Mitteleuropa. So wird auch jetzt die immer zeitiger im Jahr eintretende Kirschblüte in Japan überdurchschnittlich früh erwartet: etwa morgen in Tokyo.

Eine Studie der Universität Jena zeigt: Die Tendenz zum vorgezogenen Erblühen wird weitergehen: An 18 Standorten in Europa und Nordamerika wurden 550 Pflanzen über einen längeren Zeitraum beobachtet. Das Ergebnis: 80 Prozent von ihnen sind heute früher dran als noch vor Jahrzehnten.

Klimawandel: Der Frühling hat es immer eiliger

Könnte der Frühling sogar verloren gehen? Klimatologe Orlik verneint. Denn die Jahreszeiten hängen nicht nur von der Temperatur ab, sondern von Tageslänge und dem Winkel der Sonneneinstrahlung, die durch die Erdrotation gesteuert werden.

„Was sich jedoch weiter verändern wird“, sagt Orlik, „sind Länge und Beginn aller Jahreszeiten.“ So haben wir bereits längere, heißere Sommer und kürzere, milde Winter. Die Folge: Der Vegetationszyklus der Pflanzen ist verschoben. Das betrifft die gesamte Natur. Das kann dazu führen, dass die Fortpflanzungszeit von Tieren mit dem Zyklus der Pflanzen nicht mehr zusammenpasst – was zum Beispiel den Bruterfolg von Vögeln beeinträchtigen kann.

Rekordjahre

2018 war nicht nur sehr heiß, sondern brachte dem Schwarzen Holunder aus der Zweitblüte kurz vor dem Winter vereinzelt reife Früchte.

Ein Phänomen, so Orlik, das noch öfter eintreten könnte. Was den Klimatologen jedoch wirklich erstaunt und umtreibt, ist, dass die Klimaerwärmung derart konstant ansteigt. Er erinnert sich an die Rekordmeldungen 2014 (das wärmste Jahr seit Messgeschichte) und 2015 (einer der extremsten Sommer). „Damals dachte ich noch, dass der Temperaturanstieg sich zumindest kurzfristig abschwächen würde, es wieder weniger heiße Jahre geben könnte.“

Aber jedes Jahr bringe einen neuen Temperatur-Rekord. „Das ist einerseits spannend, aber auch besorgniserregend für Mensch und Natur.“

 

Frühling in der freizeit

Das KURIER Magazin freizeit startet am Samstag durch. Frisch in die schönste Jahreszeit! Powerfood für Körper und Seele, alles über die neue Leichtigkeit, seine freie Zeit zu genießen und eine Reise in den Frühling: Die  hat mit Klimatologen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) fünf Orte  in Europa gefunden, in denen der Frühling schneller da ist als anderswo.

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