Ein Kind um jeden Preis?

„Bei diesem emotionalen Thema haben ethische Einwände keine Chance“
Wenn der Familientraum keine Grenzen kennt und Kinderlose sich rechtfertigen müssen.

Wie weit darf man für seinen Kinderwunsch gehen? Welche Rechte bleiben dem Kind, wenn es mithilfe von Eizell- und Samenspendern gezeugt wird, von einer Leihmutter ausgetragen wird und bei seinen "sozialen" Eltern aufwächst? Die Journalistin Eva Maria Bachinger hat sich in ihrem Buch "Kind auf Bestellung" mit diesen Fragen beschäftigt und nimmt im KURIER-Gespräch Stellung.

KURIER: Wir leben heute in einer Konsumgesellschaft – ist jetzt schon das Kinderkriegen ein Selbstbedienungsladen?

Ein Kind um jeden Preis?
Eva Bachinger *** Local Caption *** Eva Bachinger
Eva Maria Bachinger:In unserer globalisierten Welt kann man sich alles kaufen, wenn man das nötige Geld hat. Vom Sperma über die Eizelle bis zur Leihmutter wird alles zur Ware. Ich kreide der Politik an, dass sie dieses Geschäft ausblendet. Kinderwunsch bewegt sich auf einer sehr emotionalen Ebene und ethische Einwände haben da keine Chance mehr. Man sieht Bilder von glücklichen gleichgeschlechtlichen Paaren, die ein Kind haben, aber der Samenspender wird nicht einmal erwähnt. Der Samen wurde wie ein paar Schuhe gekauft. Das ist ein knallhartes Geschäft.

Es gibt in Osteuropa etwa Angebote für unlimitierte IVF-Versuche (In Vitro Fertilisation, künstliche Befruchtung) um 10.000 Euro bis hin zu Leihmutterschafts-Pakete ab 29.000 Euro – geht man beim Geschäft mit dem Nachwuchs über Leichen?

So drastisch würde ich das nicht formulieren. Das Geschäft geht aber sicher über die Gesundheit der Leihmütter und Eizellspenderinnen hinweg. Viele Behandlungen und deren Auswirkungen liegen im Graubereich. Und wenn man an die Kinder denkt: Ein Ungeborenes, das behindert ist, wird abgetrieben.

Immer mehr Paare landen in Wunschbaby-Kliniken – vor allem, weil sie zu lange gewartet haben. Verlassen sie sich zu sehr auf die Medizin?

Es gibt viel Unwissen. Wir lernen, wie man am besten verhütet, aber wissen kaum, wie lange eine Frau fruchtbar ist – und ab 35 nimmt die Fruchtbarkeit rasant ab. Die Medizin suggeriert oft, es ist alles möglich. Das Geschäft mit der Fortpflanzung wird als Dienstleistung wahrgenommen.

Nur jede vierte künstliche Befruchtung verläuft erfolgreich – ist das den Paaren bewusst?

Wenn man die Webseiten der Kliniken besucht, sieht man oft beschönigte Erfolgsraten. Laut IVF-Register sind im vergangenen Jahr 28 Prozent mit einem Kind nach Hause gegangen. Die anderen müssen weitermachen.

Samenspende, Eizellspende, Leihmutterschaft – wo liegen die Grenzen?

Grenzen sind oft negativ besetzt und werden als Zumutung empfunden. Sie sind aber sinnvoll, weil sie Menschen schützen. Die ökonomischen Interessen hinter Liberalisierungen von Gesetzen werden zu wenig gesehen und zu wenig diskutiert.

Welche Rechte bleiben dem Kind beim Konsumdenken?

Wenn man die Kinderrechtskonvention ernst nimmt, dämmt man das Konsumdenken ein und insofern ist der Kinderwunsch nicht für alle erfüllbar. Es gibt eine ethische Grenze. Im Artikel 35 der Konvention heißt es etwa, ein Kind hat das Recht, nicht gegen Geld gehandelt zu werden. Das verbietet kommerzielle Leihmutterschaft. Außerdem gibt es das Kinderrecht auf Kenntnis der Abstammung – damit hat es ein Recht auf Wissen und Transparenz.

Viele Paare versuchen eine Methode nach der anderen – geht es da noch ums Kind? Wann kommt der Punkt, wo ein Paar sagt, wir geben auf?

Ich war in Gesprächen mit Paaren oft sprachlos, was sich Frauen oft jahrelang antun. Wenn man immer wieder versucht und scheitert, ist das eine große Belastung. Da fehlt verpflichtende, unabhängige psychologische Beratung. Es ist wichtig, sich mit der Niederlage auseinanderzusetzen und sich Alternativen zu überlegen. Ich habe nicht den Eindruck, dass hier jeder Arzt dahingehend hilfreich ist.

Freiwillig Kinderlosen wird oft vorgeworfen, egoistisch zu sein. Aber auch Paaren, die alle Mittel nutzen, sagt man nach, nur aus Egoismus zu handeln. Warum ist jede Entscheidung für oder gegen Kinder mit so viel Rechtfertigungsdruck verbunden?

Damit sind vor allem Frauen konfrontiert, weil oft das Bild transportiert wird, dass man nur als Mutter als vollwertige Frau gilt. Wenn IVF-Behandlungen zur Obsession werden, muss man sich fragen, worum geht es wirklich. Auf der anderen Seite gibt es viele Kinderlose, die gern ein Kind gehabt hätten, aber nicht bereit waren, alles medizinisch Mögliche zu tun. Da muss man mit Vorwürfen vorsichtig sein. Kinderlos heißt außerdem nicht, ein Leben ohne Kinder zu verbringen – man kann auch ein wertvoller Wegbegleiter für Kinder und eine Entlastung für Eltern sein.

Carl Djerassi, der Erfinder der Antibabypille, hat gesagt, die Zukunft liegt im Social Egg Freezing (Eizellen einfrieren). Dann kann jede Frau selbst entscheiden, wann sie ein Kind bekommt. Ist das die Zukunft?

Natürliche Grenzen kann man verschieben, aber nicht ganz aufheben. Mit dem Alter steigen die Risiken, man kann nicht ewig ein eigenes Kind bekommen. Das Einfrieren von Eizellen würde ich derzeit als Geschäftemacherei verbuchen. Erfahrungen in den USA zeigen, pro Eizelle gibt es nur eine acht- bis zehnprozentige Chance, dass daraus ein Kind entsteht. Statt zu ermöglichen, dass Frauen Beruf und Familie vereinbaren können, wird wieder nur vermittelt, Karriere geht vor, und dann kann das Kinderkriegen erledigt werden.

Buchtipp: "Kind auf Bestellung. Ein Plädoyer für klare Grenzen" von Eva Maria Bachinger. Deuticke Verlag, 253 Seiten, € 20,50.

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