In
Österreich gab es in den vergangenen fünf Jahren einen "sehr auffälligen Anstieg" der gemeldeten Fälle an
Keuchhusten (
Pertussis). Das sagte die Infektionsspezialistin Univ.-Prof.
Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des
Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni
Wien, Sonntagnachmittag bei der "50. Wissenschaftlichen Fortbildungswoche" der
Österreichischen Apothekerkammer in
Schladming,
Steiermark.
Wurden im Jahr 2014 nur 339 Fälle gemeldet, waren es 2015 bereits 515 und im Vorjahr 1165.
Trend in ganz
Österreich
Im Fünf-Jahres-Durchschnitt von 2012 bis 2016 gab es 7,9 gemeldete Erkrankungen pro 100.000 Einwohner, im Vorjahr waren es 14 von 100.000. "Die
Steiermark,
Salzburg und
Oberösterreich waren besonders betroffen, aber prinzipiell gilt dieser Trend für ganz
Österreich."
Univ.-Prof.
Ursula Wiedermann-Schmidt
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MUW /
Felicitas Matern
Univ.-Prof.
Ursula Wiedermann-Schmidt…
Univ.-Prof.
Ursula Wiedermann-Schmidt
Ein Teil des Anstiegs erklärt sich mit einer verbesserten Meldemoral der Ärzte: "Es gibt heute ein elektronisches Meldesystem, in das Ärzte ihre Fälle einspeichern können." Auch die Diagnostik wurde verbessert, die Testsysteme wurde vereinheitlicht.
Erkrankung ist kein Schutz
Doch es gibt auch andere Gründe: Neue Studien zeigen, dass die Wirkung der
Impfung nach vier bis sechs Jahren nachlässt. Die schützenden Antikörper verschwinden mit der Zeit, ihre Konzentration geht zurück. Aber auch nach einer durchgemachten Infektion lässt der Schutz nach.
"Es ist aber sehr vielen Menschen nicht bewusst, dass eine durchgemachte Infektion keine dauerhafte Immunität hinterlässt", betont
Wiedermann-Schmidt. "Oftmals sagen Erwachsene, diese Erkrankung habe ich in der Kindheit durchgemacht, da brauche ich keine
Impfung. Aber das ist ein Irrglaube. Man kann die Infektion wieder bekommen." Dies führe aber dazu, dass viele Erwachsene vor einer Keuchhusten-Infektion nicht geschützt sind.
Auffrischung alle zehn Jahre
Die Grundimmunisierung gegen
Pertussis sollte laut Österreichischem Impfplan im 3., 5. und 12. Lebensmonat erfolgen. Mit dem Eintritt in die Volksschule ist eine Auffrischungsimpfung vorgesehen. Bis zum vollendeten 60. Lebensjahr ist eine Auffrischung (gemeinsam mit Diphtherie, Tetanus und Polio) alle zehn Jahre, danach alle fünf Jahre vorgesehen. Einen Einzelimpfstoff nur gegen
Keuchhusten gibt es nicht.
Auch wenn der Antikörper-Schutz bereits nach vier bis sechs Jahren zurückgehe, wäre schon viel damit erreicht, würde der Großteil der Bevölkerung alle zehn Jahre diese Auffrischungsimpfung durchführen, so
Wiedermann-Schmidt.
Charakteristisch für
Keuchhusten sind schwere Hustenanfälle, die aufgrund der Heftigkeit zu Atmenproblemen führen und über Wochen bzw. sogar Monate andauern können.
Geringes Wissen unter Studenten
Dass auch unter angehenden Medizinern das Wissen um das Thema
Impfungen nicht das Beste ist, zeigt eine Umfrage unter 3822 Medizinstudenten im sechsten Semester in
Deutschland,
Österreich und der
Schweiz, davon 1185 der MedUnis in
Wien und
Innsbruck.
Die Fachfragen zum Thema Masern etwa konnten jeweils nur 37 Prozent (
Österreich), 38 Prozent (
Deutschland) oder 41,8 Prozent (
Schweiz) richtig beantworten. Beim Thema Influenza lag der Prozentsatz der Studenten mit den richtigen Antworten um oder sogar unter 30 Prozent (
Österreich: 26,1 Prozent), beim Thema HPV-Infektionen um die 25 Prozent (
Österreich: 24,1 Prozent).
Wenig Risikobewusstsein
37 Prozent befürchten Nebenwirkungen durch die
Impfungen, 23 Prozent haben angegeben, zu befürchten, dass sie durch die
Impfung krank werden. 23 Prozent sehen sich selbst nicht als Risikopersonen für Influenza – „das ist besonders schmerzhaft, weil das Bewusstsein, dass man als Gesundheitspersonal nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährdet, nicht genügend verankert ist".
Und: 65 Prozent der befragten Studenten wussten nicht, dass es bei Influenza insbesondere für Gesundheitspersonal offizielle Impfempfehlungen im Österreichischen Impflan gibt. 62,8 Prozent hatten auch selbst noch keine Influenza-Impfung.
Großteil für verpflichtende
Impfungen
Trotzdem sprachen sich allerdings knapp 90 Prozent der Studenten für einie verpflichtende
Impfung für Gesundheitspersonal aus. Und eine deutliche Mehrheit (
Österreich: 67,5 Prozent) befürwortete auch verpflichtende
Impfungen vor dem Eintritt in Kindergärten und Schulen.
Wiedermann-Schmidt: „Studenten im sechsten Semester haben ein unterdurchschnittliches Fachwissen zu diesen Erkrankungen und zu Impfungen, unabhängig von den Universitäten, das ist beunruhigend.“
"Klare Diskrepanz"
Und es bestehe eine klare Diskrepanz zwischen dem eigenen Impfverhalten und der generellen Einstellung zu Impfungen, besonders, was verpflichtende Impfungen bedeutet. „Man sieht sich selbst nicht als Teil eines Ganzen.“
"Es wird eine deutliche Verbesserung der Lehr- und Ausbildungsprogramme an den Universitäten geben müssen", betonte Wiedermann-Schmidt.