Keine Angst vor „Sydney 2012“

Rätselrallye am stillen Örtchen
Eine Erkrankung ist zwar unangenehm, aber für die meisten Menschen ungefährlich

„Experten warnen vor einer Welle schwerer Norovirus-Infektionen“; „Hunderte Kreuzfahrt-Passagiere erkranken an Norovirus“ – Schlagzeilen wie diese klingen spektakulär und machen manchem Angst. „Alles halb so schlimm“, beruhigt Univ.-Prof. Egon Marth vom Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin an der MedUni Graz. „Noroviren erregen viel Aufmerksamkeit, weil meistens viele Menschen auf einmal erkranken – etwa wie kürzlich auf zwei Kreuzfahrtschiffen in der Karibik.“

Doch laut Marth handelt es sich um ein eher harmloses Virus, weil es im Normalfall keine schwerwiegenden Folgen mit sich bringt. „In der Regel geht es einem einen Tag richtig dreckig und dann ist der Spuk vorbei. Ein gesunder Mensch wird das ganz gut wegstecken.“ Bakterielle Magen-Darm-Erkrankungen wie etwa Salmonellen verlaufen hingegen deutlich schwerwiegender.

Das Besondere am Norovirus: Er neigt wie das Grippevirus dazu, seine Oberfläche immer wieder zu verändern. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Immunsystem einen Schutz entwickelt, wird so stark erschwert.

Sechs Typen

Für Beunruhigung sorgt aktuell die Virus-Variante „Sydney 2012“ – wie der Name sagt, erstmals in Australien beschrieben. Angesichts von mehr als 100.000 Norovirus-Fällen, die vergangenes Jahr allein in Deutschland gemeldet wurden, geht im Nachbarland die Angst vor dem neuen Typ um.

In Österreich wurde die meldepflichtige Infektion im Jahr 2011 allerdings nur 880-mal verzeichnet. 497 Fälle wurden nachgewiesen.

„Beim Norovirus gibt es sechs Genotypen – in 80 Prozent der Fälle ist der Mensch von der Gruppe zwei und vier betroffen – Sydney 2012 ist ein neuer Typ aus Gruppe vier. Was die Experten beunruhigt ist, dass bisher wenige Menschen eine Immunität dagegen haben – er kann sich also leichter ausbreiten. Da sich der Virus aber ständig verändert, haben wir gegen andere Typen ohnehin fast genauso wenig Schutz.“

Wie lässt sich eine Infektion verhindern? Noroviren halten sich gerne im Trinkwasser auf – etwa im Containerwasser auf einem Schiff oder in roher Nahrung wie auf Erdbeeren oder in rohem Fisch. „Die Viren halten bis zu 60 Grad aus – wenn ein Fisch nicht ganz durchgegart ist, kann was übrig bleiben.“

Keine Küsschen

Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört die Hände-Desinfektion. Bricht auf einem Kreuzfahrtschiff, in einem Hotel oder in einer Schule das Virus aus, ist es ratsam, niemandem die Hand zu reichen oder mit einem Küsschen zu begrüßen. Marth: „Kreuzfahrtanbieter wären gut beraten, ihren Gästen Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen.“ Da das Virus bis zu zwei Wochen nach den Symptomen ausgeschieden wird, sollten Betroffene aus Lebensmittel-verarbeitenden Gewerben so lange zu Hause bleiben.

Die Therapie ist derzeit nur symptomatisch möglich, indem der Flüssigkeitsverlust ausgeglichen wird. Es gibt zwar Versuche, eine Impfung herzustellen, doch deren Sinn bezweifelt Marth: „So eine Infektion ist lästig und man fühlt sich mies, aber nach einem Tag ist sowieso alles wieder vorbei.“

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