Kasse: "Dammbruch bei Kosten von Medikamenten"

WGKK hat nur für neue Hepatitis-Medikamente 30 Millionen Euro ausgegeben.

28 Tabletten um 14.270 Euro und 74 Cent: So viel kostet die Wiener Gebietskrankenkasse eine Monatspackung des neuen Hepatitis-C-Medikamentes Sovaldi. Im Schnitt benötigt ein Patient drei Packungen, inklusive zusätzlicher Kombinationstherapien macht das durchschnittliche Medikamentenkosten pro Patient von rund 50.000 Euro – in Einzelfällen bei schwer kranken Patienten mit Rückfällen sogar bis zu 200.000 Euro. Das Präparat sei „teurer als Gold“.

Seit März 2014 sind in Österreich die neuen Therapiemöglichkeiten gegen Hepatitis C verfügbar, die einen großen Teil der Patienten heilen können. „Es ist erfreulich, dass es diese Medikamente gibt. Aber wir sind davon ziemlich kalt erwischt worden“, sagte Mittwoch die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Ingrid Reischl: „Von März 2014 bis April 2015 haben wir alleine für die Behandlung von Hepatitis C 30,2 Millionen Euro ausgegeben“ – das ist die Hälfte des für heuer prognostizierten Verlusts der WGKK von rund 64 Millionen Euro. Mehr als 600 Patienten konnten die neuen Therapien bereits erhalten.

Anstieg um 10 Prozent

Im ersten Quartal 2015 stiegen die Medikamentenausgaben der WGKK gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 10,49 Prozent. Ohne die Hepatitis-Therapien beträgt der Anstieg lediglich 3,63 Prozent. Reischl spricht von einem „Dammbruch“: „Die sozialen Versicherungssysteme werden an den Rand der Finanzierbarkeit gedrängt.“

Hersteller Gilead argumentiert, dass der Preis des Wirkstoffs „den Wert des Medikaments“ widerspiegle. Durch kurze Behandlungsdauer und hohe Heilungsraten könnten Folgekosten – etwa Leberversagen, Leberkrebs, Lebertransplantationen – vermieden werden.

"Unfinanzierbar"

Laut Reischl sei es aber fraglich, ob dieser Effekt tatsächlich in dem versprochenen Ausmaß eintreten werde. Außerdem schlage sich ein möglicher volkswirtschaftlicher Nutzen nicht in der Bilanz der Kassen nieder. Sie spricht von „willkürlicher Preissetzung“ und einer neuen Preispolitik im Pharmabereich, die unfinanzierbar sei.

Bisher betrafen teure Medikamente nur seltene Erkrankungen, so Silke Näglein, stv. ärztliche Direktorin der WGKK. „Aber jetzt haben wir erstmals so hohe Preise für eine häufige Erkrankung.“

Verhandlungslösung gesucht

Derzeit werde versucht, in Verhandlungen mit der Pharmawirtschaft eine Lösung zu finden. Gelinge dies nicht, seien politische Lösungen notwendig – etwa gesetzlich verordnete Rabatte für die Krankenversicherung. Verschärfen könnte sich die Problematik durch innovative Krebstherapien, die in den nächsten Monaten und Jahren zugelassen werden – und ebenfalls häufig Tabletten sind, die von den Kassen finanziert werden. So komme die Jahrestherapie kosten für ein neues Medikament gegen Eierstockkrebs auf 91.000 Euro, so Näglein.

"Hochrisikogeschäft"

Der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) weist die Kritik zurück: „Erstens gehe ich von einer Preisreduktion aus, weil ein zweiter Anbieter auf den Markt kommt“, so Generalsekretär Jan Oliver Huber. „Zweitens ist die Arzneimittelentwicklung ein Hochrisikogeschäft. Schließlich wird nicht jedes Medikament ein Erfolg – die Risiken trägt jede Firma allein.“

Kommentare