Internet kann Leben retten

Tornado: Die Windgeschwindigkeit beträgt bis zu 500 km/h. Mediennutzung reduziert Verletzungsrisiko.
Pionierleistung: Wiener Mediziner leitete Studie, die Schutz vor Stürmen verbessert.

Es war die drittgrößte Tornado-Serie in den USA: Mehrere Dutzend dieser Wirbelstürme zogen im April 2011 über den Südosten: 338 Menschen starben, 247 davon im Bundesstaat Alabama. Eine Studie der MedUni Wien in Kooperation mit der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) könnte dazu beitragen, dass sich bei künftigen Naturkatastrophen viele Menschen besser schützen. Die Ergebnisse sind auch für Österreich von Bedeutung.

Internet kann Leben retten
Thomas Niederkrotenthaler
Der Wiener Mediziner Thomas Niederkrotenthaler vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien arbeitete eineinhalb Jahre in den USA als „Disease Detective“ („Krankheitsdetektiv“) beim Zentrum für Verletzungsverhütung der CDC. „Nach den Tornados hat uns der Bundesstaat Alabama um eine Studie gebeten, wie der Schutz vor solchen Katastrophe verbessert werden kann.“

Niederkrotenthaler und seine Mitarbeiter suchten 39 Spitäler auf und analysierten 1350 Krankengeschichten von Patienten, die durch Tornados verletzt wurden. Anschließend führten sie 100 Interviews mit Verletzten und 200 mit Unverletzten. Dabei zeigte sich, dass die Nutzung von Medien Leben retten kann:

Menschen, die während der Tornado-Serie intensiv Medien im Internet bzw. Social Media wie Twitter oder Facebook nutzten, hatten ein um 80 Prozent geringeres Verletzungsrisiko gegenüber Menschen, die das nicht taten. „Der genaue Pfad eines Tornados lässt sich oft erst 15 bis 30 Minuten vor ihrem Eintreffen vorhersagen.“

Bei TV-Nutzern war das Risiko um 50 Prozent reduziert.

Richtlinien geändert

Und es gab noch zwei weitere wichtige Erkenntnisse:

20 bis 30 Prozent aller Verletzungen passierten erst nach dem Durchzug der Tornados: Durch Unfälle bei den Aufräumarbeiten (häufig mit Kettensägen) oder umstürzende Bäume bzw. herabfallende Gegenstände.

In einem kleinen Raum ohne Fenster (meist Bad oder WC) war der Schutz annähernd so gut wie in einem Keller (den es gerade in den USA bei vielen Gebäuden aber nicht gibt).

Die Studie ist jetzt im Top-Wissenschaftsjournal PLOS ONE erschienen. Die Ergebnisse haben bereits zu Konsequenzen geführt: In die Leitlinien der US-Gesundheitsbehörde zum Schutz vor Tornados wurde jetzt die Nutzung der neuen Internet-Medien zusätzlich aufgenommen – und die Empfehlung, das TV-Gerät aufzudrehen, verstärkt. Die Schutzfunktion von fensterlosen Räumen wurde unterstrichen. Neu hinzugekommen sind Empfehlungen zum Schutz vor nachträglichen Verletzungen.

Internet kann Leben retten
epa02987792 YEARENDER 2011 APRIL Jamie Schatz carries a dog she rescued out of a friend's basement while surveying tornado damage in Pleasant Grove, Alabama, USA 28 April 2011. Severe weather and more than 100 tornados destroyed towns and killed more than 200 people across the Southern US 27 April, 2011. EPA/CHRISTINE PRICHARD

„Durch den Klimawandel nimmt die Gefahr von Tornados und anderen Umweltkatastrophen weltweit zu“, sagt Niederkrotenthaler. „Von den 212 Todesopfern in Alabama erreichten die meisten kein Krankenhaus mehr. Das zeigt, wie wichtig das persönliche Verhalten ist – egal ob bei Tornados oder andere Naturgewalten.“

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