Selbstbestimmung statt Mitleid

Internationaler Tag der Behinderten, 3.12.2013
Barrieren in den Köpfen schmerzen häufig mehr als bauliche Widerstände

Martin Joppich arbeitet als Sportjournalist. Bevor er über eine Sportart schreibt, probiert er sie selbst aus. „Damit ich weiß, wovon ich da rede.“ Egal, ob ein spektakulärer Ritt auf dem Wakeboard über die Wellen, im Ruderboot oder auf dem Basketballplatz.

Ein ganz normaler journalistischer Zugang. Dennoch wird man nachdenklich, wenn man dem 47-Jährigen gegenübersitzt. Sein Sessel hat Rollen. Seit 20 Jahren, als nach einem Motorradunfall das linke Bein „von einer Leitschiene an der Hüfte praktisch abgerissen“ wurde. Trotz Tiefpunkten zwischendurch ist er heute obenauf – und zufrieden mit seinem Leben. Nur Mitleid von Menschen, die nicht im Rollstuhl sitzen, „ist das Schlimmste für uns“.

Neben baulichen Barrieren machen vor allem jene in den Köpfen den Menschen mit Behinderungen das Leben schwer. Der 1993 von der WHO am 3. Dezember ausgerufene „Internationale Tag der Menschen mit Behinderung“ will unter anderem auf dieses Ungleichgewicht aufmerksam machen. Architektin und Versehrtensportlerin Doris Sima-Ruml, 25: „Das kann sehr demütigend sein. Die öffentliche Wahrnehmung changiert zwischen Hascherl und Hero.“

Barrieren überwinden

Was Behinderte brauchen, um gut leben zu können, fasst Klaus Voget zusammen, der Präsident des Österreichischen Zivil-Invalidenverbands (ÖZIV): „Jeder behinderte Mensch will als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft betrachtet werden.“

Der ebenfalls betroffene Florian Dungl will sich gar nicht erst über Barrieren Gedanken machen müssen: „Ich will mein Leben selbstbestimmt leben – nicht invalid sondern valid.“ So hat der 28-Jährige, der seit einem Badeunfall mit 21 querschnittgelähmt ist, auch sein heuer gegründetes Lifestyle-Magazin genannt. Das Besondere an „valid leben“: Hier kommen Behinderte und Nichtbehinderte in Kontakt, als Journalisten genauso wie als Interviewte. „Unser Motto ist, das Verschiedensein zuzulassen – aber ohne Unterschiede zu machen“, betont Chefredakteurin Michaela Golla.

Eignet sich das Thema Lifestyle, um Brücken zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten zu schlagen? Es könnte der richtige Weg für die heutige Zeit sein, meint Golla. Sie will die Menschen mitten in ihrem Leben abholen. „Ein Hardrock-Fan wird durch seinen Unfall nicht plötzlich auf Mozart stehen, sondern seinen Vorlieben treu bleiben.“ ÖZIV-Präsident Voget: „Junge Menschen wollen einen Beruf haben, auf den sie stolz sind, sie wollen reisen und ein unabhängiges Leben führen. Das ist bei allen gleich, ob mit oder ohne Behinderung.“

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