Forscher prangern prekäre Arbeitsverhältnisse an
Wer an prekäre Arbeitsverhältnisse denkt, denkt an Leiharbeiter oder Hilfsarbeiterjobs und nicht an Hochschulen. Dabei gibt es wohl in kaum einem Bereich so viele Kettenverträge wie in den Hochschulen. Das ist in Österreich nicht viel anders als in Deutschland. Ihrem Ärger darüber machen derzeit viele Nachwuchsforscherinnen und -forscher Luft, und zwar über den Twitter-Hashtag #IchbinHanna. Dank Tausender Beiträge hat es der Hashtag nach wenigen Stunden auf Platz 1 der deutschen Twitter-Trends geschafft.
Hintergrund ist ein ziemlich simpel daherkommendes Video, das das deutsche Forschungsministerium als „Erklärvideo“ zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz ins Internet gestellt hat. Dieses Gesetz ermöglicht es, dass junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter vor und nach der Dissertation für je maximal sechs Jahre an deutschen Hochschulen angestellt werden können. In dem Video wird die Protagonistin Hanna genannt. Damit sie und ihre Altersgenossen nicht die Stellen für die "nachkommenden Generationen" verstopfen, gebe es Zeitarbeitsverträge.
In Österreich regelt die Novelle des Universitätsgesetzes (UG), das heuer verabschiedet wurde, die Zeitarbeitsverträge: Danach sollen grundsätzlich nur mehr höchstens drei befristete Verträge aneinandergereiht werden können, die Gesamthöchstdauer wird auf acht Jahre beschränkt. Nach wie vor gelten aber einige Ausnahmen.
Die Kettenverträge gehen an die Substanz, wie auch junge österreichische Forscherinnen und Forscher via Twitter unter dem Hashtag #IchbinHanna beklagen. So etwa der Umwelthistoriker Robert Groß.
Diese befristen Verträge sind auch der Arbeiterkammer ein Dorn im Auge, wie Matthias Falter sagt. Er hat enge Kontakte zu den Betriebsräten an den Hochschulen. Er ist überzeugt, "dass es auch anders ginge. Man kann durchaus auch unbefristete Verträge an den Unis machen. Sollte die Hochschule mit dem Wissenschafter nicht mehr zufrieden sein oder die budgetären Mittel ausgehen, kann sie ihm nach wie vor kündigen."
Auswirkung auf Leistung
Unbefristete Verträge würden sogar die Forschungsleistung steigern, ist Falter überzeugt: "Wenn Wissenschafter Existenzängste haben, beflügelt das nicht unbedingt die Forschung. Haben sie hingegen angenehme Rahmenbedingungen, stärkt das auch ihre mentale Gesundheit und verbessert ihre Arbeitsleistung."
Wer hingegen ständig von Uni zu Uni wechseln und immer wieder neue soziale Kontakte knüpfen muss, der wirft dann vielleicht irgendwann das Handtuch. "Bei vielen beeinflusst das auch die Familienplanung", meint Falter. Oder sie verlassen die Universität, wie folgender Tweet zeigt.
Befristete Verträge schaden nicht nur den Forschenden, sondern auch den Universitäten selbst, ist Falter überzeugt: "Es geht so viel Humankapital verloren, wenn jemand nach drei, vier Jahren die Uni verlassen muss." Das müsste nicht sein. Das Gegenrezept? "An den Hochschulen findet so gut wie keine Personalplanung statt. Wir als Arbeiterkammer fordern hier, dass die Universtitätsleitungen zu einer nachhaltigen Personalplanung verpflichtet werden sollen. Und die Kettenvertragsregel sollte an das allgemeine Arbeitsrecht angeglichen werden."
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