Hoffnung bei seltenen Erkrankungen

Einer von vielen Betroffenen: Markus hat Zystische Fibrose
Seltene Erkrankungen sind häufig unheilbar, Arzneimittel rar. Viele Initiativen wollen die Medikamentenforschung ankurbeln.

Blaue Lippen – die bekommt Anna, 11, wenn sie sich körperlich anstrengt: "Dann muss ich Pausen machen und mich erholen." Anna ist an Lungenhochdruck erkrankt – einer seltenen Krankheit ("rare" oder "orphan disease") . Am "seltenen" 29.2. ist der Welttag dieser Erkrankungen. Mehrmals täglich muss Anna Medikamente gegen die Verengung ihrer Lungengefäße nehmen: "Im Alltag vergesse ich auf die Krankheit."

Viele Prominente – darunter auch Spieler und Trainer der Wiener Austria – unterstützen derzeit die Initiative gegen Lungenhochdruck: Mit blauen Schleckern vor dem Mund – als Symbol für die blauen Lippen – machen sie auf die Einzelschicksale aufmerksam. "Meiner Tochter Maleen leidet ebenfalls an Lungenhochdruck", erzählt Gerry Fischer, Präsident der Initiative, die Patiententreffen organisiert und Geld für die Forschung sammelt. "Im Alter von dreieinhalb Jahren bekamen wir die Diagnose. Die Ärzte haben gesagt, sie wird das zweite Lebensjahrzehnt nicht erreichen. Heuer wird sie 17."

Markus, 7, hat Zystische Fibrose. "Die Nina (seine Physiotherapeutin, Anm.) zeigt mir Figuren vor, die ich machen soll, damit genug Luft in meine Lunge kommt – etwa eine Giraffe, einen Riesen oder einen Zwerg." Neben den Dehnungsübungen muss er zwei Mal am Tag inhalieren, um die Lunge zu befeuchten, und bei jedem Essen Enzyme einnehmen, damit die Verdauung funktioniert.

"Für seine Erkrankungsform gibt es leider noch keine zielgerichtete Therapie", sagt seine Mutter Renate Pachatz-Schwarz: "Wir hoffen, dass die Forschung hier rasch voranschreitet." Beim Neugeborenenscreening wird jedes Baby auf rund 30 seltene angeborenen Erkrankungen oder Organstörungen untersucht – bei 2400 Kindern konnten so in den vergangenen 45 Jahren Erkrankungen früh diagnostiziert werden.

Hoher Aufwand

Hoffnung bei seltenen Erkrankungen

"Die Therapie stellt die Wissenschaft und Industrie derzeit vor kaum lösbare Probleme", sagt Martina Schmidt, Vorsitzende des Arbeitskreises Rare Disease der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs). "Der Forschungsaufwand ist sehr hoch", betont Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber. Beispiel Zystische Fibrose: Sie kann durch mehr als 1000 Mutationen eines defekten Gens ausgelöst werden. Ein neu entwickeltes Medikament wirkt aber nur bei einer einzigen.

Die EU unterstützt die Forschung seit dem Jahr 2000 mit einer speziellen Verordnung: Sie erleichtert den Zulassungsprozess von Medikamenten gegen seltene Erkrankungen. 924 Wirkstoffe wurden seither erforscht, allein 200 davon in den vergangenen beiden Jahren. 62 sind bereits als Arzneimittel in der EU zugelassen. Von zehn Produkten schafft es aber nur eines bis zur Zulassung.

Schmidt: "Im Durchschnitt braucht ein Patient drei Jahre und drei Ärzte, bis die richtige Diagnose gestellt ist. Viele Betroffene sind einem Spießrutenlauf bei den Behörden ausgesetzt – sei es die chefärztliche Bewilligung von Medikamenten oder die Anerkennung der notwendigen Pflegestufe. Und es besteht ein Mangel an Behandlungs- als auch Rehabilitationseinrichtungen."

Info: 400.000 Österreicher betroffen Definition Von einer seltenen Erkrankung spricht man, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Einwohnern betroffen sind. Bei den meisten Krankheiten sind es weit weniger. Bei einigen ist es nur je eine Familie in der EU. Gesamtzahl Es gibt ca. 8000 seltene Erkrankungen, an denen innerhalb der EU geschätzte 30 Millionen Menschen leiden. In Österreich sind es rund 400.000, ca. fünf Prozent der Gesamtbevölkerung. Ursachen 80 % der seltenen Krankheiten sind genetisch bedingt. Sie können aber jeden auch im späteren Leben treffen, z.B. durch Erkrankungen des Immunsystems oder Infektionen.

www.orpha.netwww.prorare-austria.org Am 3.3. findet in Wien ab 10.30 Uhr der "Marsch der seltenen Erkrankungen" statt. Treffpunkt vor der Oper (Ecke Opernring / Kärntnerstraße)

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