Hochwasser: Gefahr für jeden Zweiten

Hochwasser: Gefahr für jeden Zweiten
Schäden durch Überschwemmungen könnten sich in Österreich versechsfachen, warnt der WWF.

Viele Österreicher leben in der Nähe von Gewässern. 43 Prozent wohnen weniger als 2,5 Kilometer von einem Fluss entfernt – viele Häuser sind folglich hochwassergefährdet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Keller überfluten und Wasser bis in obere Stockwerke gelangt, wird durch den Klimawandel noch verstärkt, warnt das Joint Research Centre der EU-Kommission in einer Studie. Für Österreich heißt das: Fast jeder Zweite lebt in einem hochwassergefährdeten Gebiet.

Die Prognose der EU-Experten ist alarmierend. Steigt die Temperatur um zwei Grad, werden sich die Schäden fast versechsfachen, genauer: Sie nehmen um 464 Prozent zu. Bei einem Temperaturplus von vier Grad würden die Schäden sogar ums 14-Fache steigen.

Hochwasser: Gefahr für jeden Zweiten
Grafik

Die Umweltorganisation WWF wollte es noch genauer wissen und hat erstmals eine Studie über die Flüsse und ihre Verbauung während der vergangenen 150 Jahre in Auftrag gegeben. Was dabei als Flussgebiet gilt, erklärt Martin Hof vom WWF so: Man hat die Flussachse im Modell um fünf Meter im kontinentalen Bereich bzw. um zehn Meter im alpinen Gebiet angehoben. Alles, was dann mit Wasser überflutet wäre, zählt zum Flussgebiet und ist hochwassergefährdet. Auf diese Weise wurde eine Fläche von 992 k rund um die größten 49 österreichischen Flüsse untersucht, mit historischen Karten verglichen und dann hochgerechnet. Daten gibt es bereits aus dem Jahr 1870, als die Franzisco-Josephinische Landaufnahme erstellt wurde.

Erschreckendes Ergebnis: Besonders das Offenland – also Feuchtwiesen, Brache und Moore – ist dramatisch zurückgegangen, nämlich um 82 Prozent (siehe Grafik). Im Gegensatz dazu sind die bebauten Flächen seit 1950 um das Fünffache angewachsen. Heißt: Täglich wurden zwei Hektar Wiesen, Äcker oder Auwälder verbaut. Für Hof ist das größte Problem: "Feuchtwiesen und Moore saugen Wasser auf wie ein Schwamm und können sehr viel abfangen. Auch Auwälder haben hier eine ähnliche Funktion."

Naturbelassene Flusstäler sind auch ökologisch bedeutsam: "Tiere wie der Flussuferläufer, der auf Schotterbänken brütet, oder der Huchen, eine Lachsart in der Donau, brauchen diese Gebiete als Lebensraum", sagt Hof.Es gibt also viele gute Gründe, Flüsse zu revitalisieren. Wird weitergebaut wie bisher, werden in den kommenden 50 Jahren weitere 252 k rund um Gewässer verbaut werden. Hochwasser und Starkregen würden so noch stärkere Überschwemmungen verursachen, warnt nicht nur der WWF. Er hat einen konkreten Plan vorgelegt, was zu tun wäre, indem er drei Schritte vorschlägt:

  • Uferzonen 70 Prozent sollten unverbaut bleiben.
  • Revitalisieren Große Flüsse sind aufzuweiten, sodass sie mehr Wasser gleichzeitig aufnehmen können.
  • Renaturierung Auwälder, Moore und Feuchtwiesen müssen renaturiert werden.

Die gute Nachricht: Die Politik hat erkannt, dass Hochwasserschutz mehr ist als nur das Erhöhen von Ufermauern. Mittlerweile gibt es einige Renaturierungsprojekte, etwa an der March. "Wir bedenken immer beides", heißt es aus dem Büro von Umweltminister Andrä Rupprechter. "Es geht sowohl um den Schutz der Menschen in besiedelten Gebieten durch Rückhaltemaßnahmen oder Dämme als auch um Renaturierungsmaßnahmen. Das verhindert gleichzeitig hohe Sachschäden."

Das Problem: Zuständig sind viele politische Ebenen. Das Infrastrukturministerium ist z.B. für den Verkehrswasserbau (Schifffahrt) verantwortlich. Die Kommunen erteilen Baugenehmigungen und können der Versiegelung vorbeugen – oder auch nicht. Der WWF fordert eine bessere Koordination. Und: Die Renaturierung der Flüsse müsste schneller umgesetzt werden.

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