"Eine ethische Katastrophe"
Es ist eine Erfolgsgeschichte der Medizin: Mit neuen Medikamenten – teilweise seit wenigen Monaten zugelassen, teilweise knapp vor der Zulassung – sind fast alle Patienten mit Hepatitis C heilbar: "Erstmals in der Geschichte der Medizin ist es gelungen, eine chronische Viruserkrankung auszuheilen, und das nur in zwölf Wochen, mit einer nebenwirkungsfreien Tablettentherapie", sagt der renommierte Leberspezialist Univ.-Prof. Peter Ferenci.
Doch es gibt auch eine "Schattenseite", wie Ferenci sagt: "Die Therapie eines Patienten mit zwei Medikamenten kostet im Schnitt rund 100.000 Euro, die Bandbreite liegt bei 70.000 bis 140.000 Euro. Deshalb bekommt sie derzeit nur ein sehr kleiner Teil der Patienten. Die meisten Anträge werden von den Krankenkassen abgelehnt."
Doch Ferenci macht den Kassen keinen Vorwurf: "Wir sind in Österreich noch im Goldenen Zeitalter. Außer bei uns werden derzeit nur in Deutschland, Frankreich, England und der Schweiz ausgewählten Patienten die Therapien bewilligt." Aber nur Patienten nach einer Lebertransplantation bzw. Patienten, die die alte Behandlungsform u.a. mit Interferon nicht vertragen.
Nicht akzeptabel
"Das ist eine ethische Katastrophe", sagt Ferenci. "Rein medizinisch gesehen, kann man mit der Therapie in vielen Fällen zwar zuwarten, die Patienten in regelmäßigen Abständen wieder bestellen und hoffen, dass sie sich bis dahin nicht verschlechtert haben. Aber welcher Patient akzeptiert, dass er warten muss, wenn er weiß, dass ihn diese neuen Behandlungen in zwölf Wochen heilen könnten? 50 Prozent meiner Zeit bestehen heute schon darin, den Patienten zu erklären, warum ich ihnen die neuen Medikamente nicht verschreiben kann."
Und es sei auch nicht mehr akzeptabel, die alten Therapien mit Interferon zu verordnen: "Diese dauern zirka ein Jahr, haben teilweise starke Nebenwirkungen und die Heilungschance liegt bei nur 50 Prozent. Wer will diese Therapie noch, wenn er die Alternative kennt?"
Konkret geht es derzeit vor allem um den Wirkstoff Sofosbuvir der US-Firma Gilead. Knapp 17.000 Euro zahlen derzeit die Krankenkassen pro Patient und Monat nur für dieses eine Medikament, heißt es beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Das dazu kombinierte zweite Präparat kommt auf knapp 10.000 Euro pro Monat. Die Kassen haben von März bis Mai rund 330 Monatspackungen von Sofosbuvir außerhalb der Spitäler finanziert (das ist der Regelfall) – das entspricht der Therapie von rund 100 Patienten.
Weltweiter Widerstand
"Auf der ganzen Welt regt sich Widerstand gegen diese Preisgestaltung", sagt Ferenci. "Denn die Produktionskosten liegen bei nur wenigen hundert Euro."
In den USA hätten zwei Senatoren einen Antrag auf ein Senatshearing gestellt, in dem Gilead die hohen Kosten begründen solle. Laut Angelika Widhalm, Vorsitzende der Hepatitis Hilfe Österreich, gebe es bereits eine Initiative der französischen Gesundheitsministerin für eine europaweite Lösung.
In einer Stellungnahme von Gilead heißt es, dass der Preis des Wirkstoffs Sovosbuvir "den Wert des Medikaments" widerspiegle. Durch die kurze Behandlungsdauer und die hohe Heilungsrate könnten Folgekosten vermieden werden, die andernfalls durch einen weiteren Krankheitsfortschritt – etwa durch Leberversagen, Leberkrebs oder Lebertransplantation – entstanden wären.
Ein künftiger Preis müsse sowohl den Wert des Medikaments für den einzelnen Patienten als auch den wirtschaftlichen Wert für das Gesundheitssystem, was die Kostenersparnis betrifft, abbilden.
Heute gilt sie als geheilt und setzt sich als Vorsitzende der Hepatitis Hilfe Österreich für ihre Mitpatienten ein: „Viele von ihnen sind derzeit sehr verzweifelt, weil sie die neuen Therapien nicht erhalten können. Das muss rasch geändert werden.“
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