"Hannah ist unser kleines Wunder"

Luftröhre aus gezüchteten Stammzellen rettet das Leben einer Zweijährigen.

Bei der Geburt war Hannah aus Südkorea blau. Sofort wurde sie über einen in die Lunge vorgeschobenen Schlauch beatmet. Eine Computertomografie zeigte die Ursache des Sauerstoffmangels: Die heute 32 Monate alte Hannah hatte keine Luftröhre. Ihr bisheriges Leben hat sie auf einer Intensivstation in Seoul verbracht: Sie konnte nicht schlucken, essen, trinken und auch nicht reden. Sie hatte keine langfristigen Überlebenschancen.

Doch eine spektakuläre Operation bedeutet eine neue Chance für Hannah: Sie ist das erste Kleinkind, dem Ärzte eine künstliche Luftröhre aus einem Gerüst aus Kunststoff-Fasern und einer Hülle aus Stammzellen eingesetzt haben. Diese Stammzellen wurden aus Hannahs Knochenmark gewonnen und im Labor vermehrt. Am 9. 4. fand der Eingriff im Kinderspital der Stadt Peoria in Illinois, USA, statt.

„Dieses Transplantat hat nicht nur das Leben von Hannah gerettet. Sie wird auf lange Sicht auch endlich essen, trinken, schlucken und sogar sprechen können – wie andere Kinder auch“, erklärte Operationsleiter Paolo Macchiarini vom Karolinska-Institut in Stockholm. „Sie wird ein normales Leben führen.“

„Hannah ist unser kleines Wunder“, sagt ihr kanadischer Vater Darryl. Und ihre koreanische Mutter Young-Mi ergänzt: „Schon bald werden wir erstmals als Familie gemeinsam nach Hause fahren können.“

„Großer Fortschritt“

Sechs Patienten (mit Hannah) weltweit wurde bisher nach dieser Methode von Paolo Macchiarini eine Luftröhre eingesetzt – ein Patient mit Luftröhrenkrebs ist allerdings vier Monate nach dem Eingriff gestorben.

„Diese Operation ist ein großer Fortschritt“, sagt Univ.-Prof. Werner Linkesch, österreichischer Stammzellenpionier und Leiter der Klinischen Abteilung für Hämatologie der MedUni Graz. „Aber von einem Durchbruch würde ich noch nicht sprechen. Auf dem Gebiet der regenerativen – erneuerbaren – Medizin gibt es viele Entwicklungen in kleinen Schritten.“

Routinemäßig erfolgt der Einsatz von Stammzellen aus dem Blut und Knochenmark in der Therapie von bösartigen Blutkrankheiten wie Leukämie oder Multiples Myelom. Wo eine Eigenspende nicht möglich ist und auch kein passender Fremdspender gefunden wird, werden zunehmend Stammzellen aus Nabelschnurblut (von Fremdspendern) verwendet: „Wir haben sie bereits 37 Personen transplantiert.“

Erste gute Erfahrungen (auch in Österreich) gibt es beim Einsatz von gezüchteten Stammzellen für die Heilung von Knorpel- und Knochendefekten: Hier kooperieren etwa die MedUni Graz und die Paracelsus Medizinische Privatuni in Salzburg.

Wenig Erfolg zeigten bisher Versuche, mit Stammzellen nach einem Infarkt verletztes Herzgewebe zu regenerieren.

In London wurden zwei fast blinden Patienten mit einer seltenen Netzhauterkrankung aus Stammzellen gezüchtete Netzhautzellen injiziert – die Sehleistung besserte sich. Da es sich um embryonale Stammzellen handelte, ist diese Studie ethisch allerdings umstritten.

Für Aufsehen sorgte kürzlich auch der aus Österreich stammende und in Harvard, USA, tätige Chirurg Harald Ott: Er konnte auf einem speziellen Gerüst eine biologische Rattenniere züchten.

Linkesch: „Es gibt den Fortschritt, aber er muss hart erarbeitet werden. Von einer breiten Anwendung sind wir noch weit entfernt.“

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