Grippe-Welle: Gipfel noch nicht erreicht

Grippe-Welle: Gipfel noch nicht erreicht
Die Zahl der an Influenza erkrankten steigt immer noch an. Der Höhepunkt der Epidemie dürfte erst bevorstehen.

Rund 500 Anrufe gehen an einem normalen Tag beim Wiener Ärztefunkdienst ein. Derzeit sind es an die 1000. Und auch in der Nacht ist die Zahl der Anrufer mit derzeit rund 500 doppelt so hoch wie im Sommer. „Wir haben es mit einer relativ starken Grippe-Welle zu tun“, sagt Paul Prem, medizinischer Leiter des Ärztefunktdienstes: „Aber sie ist nicht wirklich stärker als vor zwei oder drei Jahren. Und es gab auch schon Jahre, in denen wir während der Grippewelle nicht doppelt, sondern dreimal so viele Anrufe wie im Sommer hatten.“ – Als „weiterhin angespannt“ bezeichnet man beim Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) die Situation: „Es hat sich gegenüber der Vorwoche nichts geändert.“

Ist der Höhepunkt der Grippe-Welle schon erreicht?
In der Vorwoche gab es 15.100 Neuerkrankungen an Grippe und grippalen Infekten in Wien, in der Woche davor waren es 14.700. Damit ist die Tendenz seit vier Wochen steigend, seit zwei Wochen beträgt die Zahl der wöchentlichen Neuerkrankungen in Wien mehr als 10.000. Ab dieser Zahl wird offiziell die Grippe-Welle ausgerufen. Diese hält sechs bis acht Wochen an – deshalb halten es Experten für sehr wahrscheinlich, dass zumindest ein bis zwei weitere Wochen die Erkrankungszahlen noch steigen werden.

Wie viele Menschen erkranken jährlich an Grippe?
Laut einer Analyse des Instituts für Sozialmedizin der MedUni Wien erkranken jährlich rund 350.000 bis 400.000 Menschen in Österreich an Grippe und grippalen Infekten. „Davon müssen rund 4500 stationär im Krankenhaus behandelt werden“, sagt die Epidemiologin Univ.-Prof. Ursula Kunze. Laut einer Studie der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sind zwischen 2001 und 2009 jährlich rund 1000 Österreicher an der Influenza gestorben – mit einer leicht steigenden Tendenz. 2008/2009 waren es 1192 Todesfälle.

Wie gut schützt die Grippe-Impfung tatsächlich?
Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) verweist auf eine Analyse durch italienische Wissenschaftler: „Insgesamt ergab die bestmögliche Schätzung der Forschergruppe, dass die Impfstoffe das Ansteckungsrisiko gesunder Erwachsener um 44 bis 73 Prozent senken konnten.“ Laut der Virologin Univ.-Prof. Terese Popow-Kraupp können im optimalen Fall 70 bis 80 Prozent der Infektionen verhindert werden. Nachgewiesen ist, dass ältere Menschen, die in Pflegeheimen wohnen, seltener eine Lungenentzündung bekommen.

Passt der Impfstoff zu den vorherrschenden Erregern?
„Mehr als 90 Prozent der Infektionen werden durch ein Influenza-A-Virus vom Subtyp H3N2 verursacht – dieses ist im Impfstoff enthalten“, sagt der Virologie Univ.-Prof. Franz X. Heinz. Zwar zeigen die derzeit kursierenden Viren geringfügige genetische Veränderungen, trotzdem sei ein Impfschutz gegeben. Bei den viel selteneren Influenza-B-Viren (weniger als zehn Prozent der Fälle) passt hingegen nur bei jeder zweiten Infektion der zirkulierende Virenstamm zu jenem im Impfstoff. Ob eine Impfung jetzt noch sinnvoll ist? „Langsam wird es knapp“, so ein Mediziner.

Ist man durch eine natürliche Infektion immer vor Grippe geschützt?
Nein, auch wenn es sich um denselben Subtyp – also etwa H3N2 – handelt. Der Schutz ist zwar stärker als bei einer Impfung, weil sich die Viren im Körper vermehren und deshalb auch mehr Antikörper gebildet werden (der Impfstoff besteht nur aus abgetöteten Viruspartikeln). Doch genetische Veränderungen der Influenza-Viren führen dazu, dass der ursprüngliche Schutz für diese Mutation dann nicht mehr wirksam ist.

Was bringen antivirale Medikamente wie Tamiflu?
Laut einer Übersichtsarbeit der unabhängigen Cochrane-Collaboration können sie die Krankheitsdauer um rund einen Tag verkürzen, nicht aber die Häufigkeit von Komplikationen. Hersteller Roche verweist hingegen auf andere Daten, wonach auch die Zahl der Komplikationen (wie z.B. Lungenentzündungen) reduziert werden kann. Die Therapie ist aber nur innerhalb von 24 bis max. 48 Stunden nach dem Auftreten erster Symptome sinnvoll.

Was kann man jetzt noch tun, um sein Immunsystem zu stärken?
„Schlafen Sie ausreichend und achten Sie auf Ihren Lebensrhythmus“, rät der Neurologe und TCM-Mediziner (Traditionelle Chinesische Medizin) Alexander Meng: „Schützen Sie sich vor Wind und Kälte.“ Wer Schwachstellen hat (z. B. Atemwegserkrankungen) sollte dies mittels Akupunktur und Akupressur stärken. Warme Getränke sowie leicht gekochtes Obst und Gemüse seien ebenfalls empfehlenswert.

Kommentare