Brustkrebs zielgenau therapieren

Am Podium: Gynäkologe Christian Singer (MedUni Wien), Patientin Sabine S. Spitz, Gabriele Kuhn (KURIER), Onkologe Günther Steger (MedUni Wien)
Mit innovativen Behandlungen können Lebensdauer und -qualität enorm verbessert werden.

"Man spürt nichts, man merkt nichts – und von einem Moment zum anderen war ich von einer völlig gesunden Frau zu einer mit metastasierendem Brustkrebs geworden. Ich brauchte ein Jahr, bis ich mich selbst als Onkologie-Patientin sah." So berührend schilderte Sabine S. Spitz ihre Krankheitsgeschichte. Beim Gesundheitstalk "Fortgeschrittener Brustkrebs" von KURIER, MedUni Wien und Novartis diskutierte sie mit Experten und einem interessierten Publikum die Probleme, aber auch die innovativen Behandlungsmöglichkeiten dieser schweren Erkrankung.

Immer häufiger chronische Erkrankung statt tödlich

"Wir sehen fortgeschrittenen Brustkrebs heute zunehmend als eine chronische Erkrankung an. Das heißt, wir können sie nicht heilen, aber das Leben der Patienten verlängern und ihre Lebensqualität enorm verbessern. Das ist entscheidend. Wir müssen wegkommen vom Gedanken, dass man bei der Diagnose metastasierender Brustkrebs nichts mehr tun kann", erklärte Univ.-Prof. Christian Singer, Leiter des Zentrums für erblichen Brust- und Eierstockkrebs an der MedUni Wien (AKH Wien).

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"Kleine Teufel" bleiben lange unentdeckt

Wie ist es überhaupt möglich, dass bei rund zehn Prozent aller Brustkrebspatienten bei der Brustkrebsdiagnose bereits Metastasen auftreten? Einerseits liege dies an mangelnder Vorsorge. "Die Österreicher sind nicht unbedingt Weltmeister in der Vorsorge-Akzeptanz", sagte Onkologe Univ.-Prof. Günther Steiger, Leiter der Brustkrebsforschung der MedUni Wien (AKH Wien). "Die Mammografie ist der Goldstandard, damit steht und fällt die Früherkennung." Andererseits: "Es gibt bestimmte Tumorgruppen, die sehr stark wachsen. Wir nennen sie die ‚kleinen Teufel‘, weil sie bereits in einem sehr kleinen Stadium Metastasen bilden und über Blut- und Lymphwege streuen, bevor der Primärtumor sicht- oder tastbar ist." Alarmzeichen gebe es dafür keine. "Aber man muss sagen: Die große Mehrzahl von Brustkrebsfällen – 80 bis 90 Prozent – wird früh entdeckt und ist heilbar.

Neue Therapieansätze

Bei metastasierendem Brustkrebs kam es in den vergangenen Jahren zu einem Schub an neuen Therapien. "Früher konnten wir in manchen Fällen nichts anbieten außer einer Chemotherapie. Heute sind bereits fünf therapie-relevante Untergruppen bekannt. Durch viele Forschungsprojekte, auch an der MedUni Wien, geht die Entwicklung hin zur Präzisionsmedizin, mit der sich Zellstrukturen und -mechanismen charakterisieren lassen", sagt Steger. Singer ergänzt: "Wir können den Tumor anhand einer Reihe von Parametern besser einschätzen." Dazu zählt etwa der Hormonrezeptorstatus. Er zeigt, ob das Tumorwachstum durch Hormone beeinflusst ist. Diese Tumore sind mittlerweile gut behandelbar. Ein anderer Parameter ist das sogenannte HER2-Molekül an der Tumoroberfläche. Mit einer speziellen Antikörper-Therapie konnte die durchschnittliche Überlebenszeit auf sieben Jahre ausgeweitet werden.

"triple negative"-Mammakarzinom

Treffen beide Varianten nicht zu, war die Therapie bisher schwierig, etwa beim "triple negativen"-Mammakarzinom. Neue Ansätze sind nun mit den neuen, sogenannten CDK4/6-Inhibitoren möglich. Singer: "Sie greifen in die Zellstruktur ein und hemmen das Fortschreiten der Erkrankung."

Mutierte Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2

Aber auch Mutationen der Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2, die die Neigung zu Brustkrebs innerhalb einer Familie vererbbar machen, sind bedeutend. "Wir sind am Beginn einer Entwicklung, in der Genveränderungen therapeutisch relevant werden." Ein Gentest ist aber nicht für jede Frau relevant, betonten die Experten in der Beantwortung einer Publikumsfrage. Singer: "In den Zentren identifizieren wir jene Frauen, für die er sinnvoll ist." Steger rückte die Bedeutung des genetischen Brustkrebs zurecht: "90 Prozent aller Brustkrebsfälle sind nicht genetisch bedingt."

Auch in einer Publikumsfrage zur Bedeutung der Immuntherapie bremsten die Mediziner vor zu viel Euphorie. "Sie hält nicht immer, was sie verspricht. In einer Studie zeigte sich, dass sie keine Vorteile zur Standardtherapie brachte. Auch das ist im Sinne einer sich weiterentwickelnden Forschung zu akzeptieren", betont Singer.

Der nächste Gesundheitstalk

Der nächste Gesundheitstalk von MedUni Wien, KURIER und Novartis findet am 24. Jänner 2018, 18.30 Uhr statt. Experten werden am Podium über das Thema Herzschwäche und deren Behandlungsmöglichkeiten diskutieren. Veranstaltungsort: Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Str.), 1090 Wien.

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