Winterspeck: Warum wir im Winter leichter zunehmen
Der sogenannte Winterspeck ist kein Mythos. Viele Menschen bemerken, dass sie in der kalten Jahreszeit etwas zunehmen. Doch woran liegt das wirklich? Lassen sich die zusätzlichen Kilos allein durch das winterliche Wetter erklären?
Nach den Feiertagen stellt sich bei vielen das schlechte Gewissen ein. Festessen, Kekse und das ein oder andere Gläschen Alkohol mehr hinterlassen Spuren auf der Waage. Eine internationale Studie der Universität Tampere in Finnland untersuchte das Phänomen genauer. Rund 3.000 Menschen aus verschiedenen Ländern wogen sich über mehrere Wochen regelmäßig auf elektronischen Waagen. Das Ergebnis: In Deutschland hatten die Teilnehmer nach den Weihnachtsfeiertagen durchschnittlich 0,8 Kilogramm mehr auf den Hüften. US-Amerikaner zeigten bereits Ende November ein höheres Gewicht, denn das amerikanische Thanksgiving – traditionell ein Feiertag mit üppigem Essen – sorgt für einen vorzeitigen Anstieg. Selbst in Japan zeigte sich eine Gewichtszunahme rund um die Feiertage Anfang Mai. Die Hauptursache: das soziale Beisammensein. Es ist gut belegt, dass in Gesellschaft oft mehr gegessen und auch mehr Alkohol konsumiert wird.Allerdings zeigte die finnische Untersuchung, dass Menschen außerhalb der Feiertage im Winter nicht mehr essen als sonst. Warum also berichten so viele von zusätzlichen Kilos in den kalten Monaten? Hier kommen evolutionäre, biologische und verhaltensbedingte Faktoren ins Spiel.
Vergleiche mit Tieren wie Bären oder Hamstern, die sich für den Winter Speckpolster anfressen, scheinen auf den ersten Blick weit hergeholt. Doch auch wir Menschen tragen Spuren unseres evolutionären Erbes in uns. „Tatsächlich tendieren Menschen eher zu kalorienreicheren Nahrungsmitteln, wenn es kälter ist. Das liegt daran, dass unser Körper noch ein urzeitliches Gedächtnis besitzt. Auch wenn wir keinen Winterschlaf halten, signalisiert die Kälte, dass der Körper Energie braucht“, sagt Internistin und Adipositas-Expertin Johanna Brix. Der Körper braucht mehr Energie, um sich warm zu halten. Kalorienreiche Speisen helfen, Wärme zu erzeugen – ein Überbleibsel aus früheren Zeiten, als der Winter eine echte Herausforderung darstellte.
Neben der Ernährung spielt auch das Tageslicht eine entscheidende Rolle. Im Winter produzieren wir aufgrund der kürzeren Tage weniger Vitamin D und Serotonin, zwei Substanzen, die unsere Stimmung heben und das Wohlbefinden fördern. Stattdessen schüttet der Körper vermehrt Melatonin aus, ein Hormon, das uns müde macht und die Stimmung dämpfen kann. Das führt nicht selten zu einem gesteigerten Appetit auf zuckerreiche Lebensmittel. „Viele versuchen, das fehlende Glücksgefühl durch Süßigkeiten oder andere Genussmittel zu kompensieren“, erklärt Brix. Diese kurzfristigen Stimmungsaufheller wirken zwar schnell, führen jedoch auch zu einem Anstieg der Kalorienzufuhr.
Hinzu kommt der Stress, der viele Menschen während der Feiertage begleitet. Die Vorbereitungen, Erledigungen und Besuche bei Verwandten können anstrengend sein. Stress lässt den Kortisolspiegel ansteigen, was den Energiebedarf des Körpers erhöht. Gleichzeitig neigen wir dazu, unter Stress mehr zu essen. Bewegungsmangel trägt ebenso seinen Teil dazu bei. Die kürzeren Tage und das oft ungemütliche Wetter sorgen dafür, dass viele Menschen weniger aktiv sind. Spaziergänge oder Sporteinheiten werden verschoben, während gemütliche Stunden auf dem Sofa locken. Der Grundumsatz des Körpers sinkt und überschüssige Kalorien werden in Fettreserven umgewandelt, erklärt Brix. Wer zwar mehr isst, aber beim Sport pausiert, dessen Waage wird im Winter langsam etwas mehr anzeigen.
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die zusätzliche Gewichtszunahme im Winter fällt meist geringer aus, als viele denken. Laut einer Studie liegt die vermutete Gewichtszunahme im Schnitt bei 1,6 Kilogramm. Tatsächlich sind es durchschnittlich jedoch nur 0,4 bis 0,9 Kilogramm. Und: Sobald der Frühling naht und die Tage länger werden, kehren die meisten Menschen zu aktiveren Gewohnheiten zurück. Die überschüssigen Kilos verschwinden oft von allein – vorausgesetzt, die Ernährung wird wieder angepasst und Bewegung integriert.
Radikaldiäten sind nach den Feiertagen dennoch keine gute Idee. Sie führen häufig zum berüchtigten Jojo-Effekt, bei dem der Körper nach der Diät noch mehr Gewicht zulegt. Stattdessen empfehlen Experten, sich auf eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung zu konzentrieren – so können selbst kalorienreichere Wintergerichte ohne schlechtes Gewissen genossen werden.
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