Allerdings: Laut der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wurden vergangenes Jahr durchwegs mehr Norovirus-Fallzahlen dokumentiert als im Vorjahr. Noroviren sind ein möglicher Auslöser für Magen-Darm-Infekte. Allein im Frühjahr wurden 53 Prozent mehr Fälle gemeldet als im gleichen Zeitraum der Jahre zuvor. Ein ähnliches Muster konnte man in Deutschland, Finnland, Irland, den Niederlanden oder den USA sehen. Zurückzuführen sei das auf einen speziellen Norovirus-Genotyp, der besonders dominant war.
Oft heißt es, dass die meisten Fälle von Norovirus-Infektionen im Winter auftreten. Im englischsprachigen Raum spricht man deshalb auch vom "winter vomiting bug" (Erreger, Anm.). 2024 kam es in den wärmeren Monaten aber nicht zu dem erwarteten Absinken der Fälle nach dem Gipfel im Winter. "Das Virus ist immer im Wandel und passt sich an seine Umgebung an – und bleibt damit nervig. Noroviren sind echte Peiniger der Gesellschaft, weil sie das ganze Jahr präsent sind", sagt Tilg.
"Wirklich üble Erreger"
Auch auf Symptomebene stechen Norovirus-Infektionen klar heraus, weiß der Experte: "Das sind wirklich üble Erreger, die von einer Sekunde auf die andere akute, unstillbare Brechattacken auslösen. Es gibt keinen Magen-Darm-Infekt, der so brutal ist wie die Norovirus-Infektion." Die Symptome halten etwa zwölf bis 60 Stunden an. Zusätzlich können Bauch-, Muskel- und Kopfschmerzen sowie Mattigkeit und Fieber auftreten.
Auch heftiger Durchfall sei typisch, wenngleich dieses Symptom im Vergleich zur Rotavirus-Infektion, die auch mit Fieber einhergehen kann, etwas weniger stark ausgeprägt sein kann.
Besonders unangenehm sind Noroviren auch deshalb, weil im Unterschied zu Rotaviren keine Impfung gegen den Erreger existiert. Zudem sind Norovirus-Geplagte enorm ansteckend: "Für eine Ansteckung reicht oft eine Brise", umreißt Tilg die Tröpfcheninfektion. "Wenn das Virus irgendwo aufpoppt, verbreitet es sich rasant, was vor allem in Kliniken oder auch Pflegeheimen ein Problem ist. Und man wird nach einer Norovirus-Infektion nicht einmal mit anhaltender Immunität belohnt", schildert er.
Rotaviren spielen von allem in Baby- und Kindesalter eine große Rolle. Sie verursachen fast die Hälfte aller Durchfallerkrankungen in dieser Altersgruppe. Die Viren werden über den Darm ausgeschieden und die Übertragung erfolgt meist durch Aufnahme über den Mund. Die Schluckimpfung gegen Rotaviren ist im kostenfreien Kinderimpfprogramm enthalten und sollte ehestmöglich ab der vollendeten 6. Lebenswoche verabreicht werden.
"Nahrungsmittelgetriggerte" Gastroenteritis
Im Schnitt fängt sich jeder Mensch hierzulande pro Jahr zumindest eine derartige Infektion – milder oder gravierenderer Natur – ein. Virusbedingte Magen-Darm-Infekte sind mit Abstand am häufigsten. Eine eine Gastroenteritis, wie Magen-Darm-Infektion im Fachjargon genannt werden, kann neben Viren auch durch Bakterien ausgelöst werden. Diese seien vor allem "nahrungsmittelgetriggert", fasst es Tilg zusammen: "Wir holen sie uns also vom Essen – das kann auch im allerbesten Restaurant passieren." Standen früher Salmonellen ganz oben auf der Liste der häufigsten Erreger, sind es heute Bakterien der Gruppe Campylobacter. Bei schweren Verläufen kann die Gabe von Antibiotika notwendig sein.
Auch eine Ansteckung mit Adenoviren oder die echte Grippe kann mit Symptomen auf Magen-Darm-Ebene einhergehen. Covid-19 hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls zunehmend zu einer Magen-Darm-Erkrankung entwickelt. "Das klinische Bild hat sich gewandelt und wir sehen immer mehr Patientinnen und Patienten, bei denen das Virus den Magen-Darm-Trakt befällt."
Bis zu einer Woche und länger ansteckend
Die Inkubationszeit ist je nach Erreger geringfügig unterschiedlich. Bei einer Lebensmittelvergiftung liegt sie zwischen sechs und 24 Stunden, bei Noro- und Rotaviren zwischen einem Tag und drei Tagen. Vor allem bei Norovirus-Infektionen können Betroffene auch nach Abklingen der Symptome noch bis zu einer Woche und sogar länger ansteckend sein, sagt Tilg.
Im Regelfall klingen die Erkrankungen von selbst innerhalb von einigen Tagen ab. Wann sollte man als Erwachsener einen Arzt aufsuchen? "Das ist für Betroffene nicht immer so leicht zu beurteilen", sagt Tilg. Der subjektive Leidensdruck könne massiv sein. "Im Zweifelsfall oder wenn der Kreislauf schlappmacht, lieber einmal mehr ärztlich nachzufragen, ist sicher sinnvoll, vor allem, wenn man bereits älter, grunderkrankt oder immunsupprimiert ist." Auch für Babys können Magen-Darm-Infekte gefährlich werden.
Mythos Schonkost
Bei der Symptomlinderung halten sich einigen Mythen hartnäckig im kollektiven Gedächtnis, sagt Tilg. So sei etwa Schonkost mit Tee und Zwieback nicht nötig. "Es gibt keine strenge Diät, die man einhalten muss. Man isst, worauf man Lust hat, meist ist der Appetit ohnehin limitiert."
Wesentlich sei, auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten. Hier habe sich die WHO-Trinklösung bewährt, ein Gemisch aus einem Liter Wasser, einem Glas Orangensaft, einem ¾ Teelöffel Salz und vier Teelöffeln Zucker. Tilg: "Das schmeckt nicht rasend gut, ist aber sehr effizient."
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