"Bis zu 14 Tage außer Gefecht": Die Grippe grassiert im Land

Eine Frau mit Fieber.
Plötzliche Fieberschübe, Schüttelfrost, Husten, Hals- und Gliederschmerzen: Viele laborieren aktuell an der echten Grippe. Wo wir in der Influenza-Welle stehen und welche Atemwegsinfektionen überraschend rar sind.

Nicht ganz 3.000 bestätigte Grippe-bedingte Krankenstände wurden vergangene Woche bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) eingemeldet. Das ist fast eine Verdopplung im Vergleich zur Vorwoche, in der knapp über 1.300 Fälle registriert wurden.

Ein Ausreißer sind die Zahlen nicht: Vergangenes Jahr waren im selben Zeitraum beispielsweise deutlich mehr Menschen wegen der echten Grippe krankgemeldet. "Die Grippewelle ist jetzt jedenfalls voll angelaufen", interpretiert Gisa Gerold, neue Leiterin des Instituts für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, die Daten im KURIER-Gespräch.

"Die Dunkelziffer ist hoch"

Der Anstieg bei den Fallzahlen sei nicht ungewöhnlich: "Das beobachten wir nach den Feiertagen im Grunde in jeder Grippe-Saison."

Die ÖGK-Zahlen würden lediglich offizielle Krankmeldungen abbilden. Man müsse davon ausgehen, dass "die Dunkelziffer hoch ist und deutlich mehr Menschen im Land momentan an der Grippe laborieren", erklärt die Expertin.

An der MedUni Wien werden laufend Proben von ausgewählten niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten aus allen Bundesländern sowie von hospitalisierten Patientinnen und Patienten, vor allem aus dem Raum Wien, auf Influenza-Viren untersucht. "In der vergangenen Woche konnte im Vergleich zur Vorwoche nochmals eine Verdoppelung der Influenza-Nachweise festgestellt werden", heißt es in einer aktuellen Aussendung. Auch am SARI-Dashboard – es zeigt die stationären Aufnahmen in österreichischen Krankenhäusern mit Diagnosen von "Schweren Akuten Respiratorischen Infektionen" (SARI), dazu zählt auch die Grippe – zeigte sich in den vergangenen Wochen ein Anstieg bei Personen, die mit der Grippe im Krankenhaus liegen.

RSV-Fallzahlen überraschend niedrig

Die Grippe breitet sich derzeit in ganz Europa aus. Eine besonders heftige Welle überrollt die USA. Für Prognosen dazu, wie sich die Grippe-Saison hierzulande gestalten werde, sei es noch zu früh, sagt Gerold. "Wir können aktuell nicht abschätzen, wie sich die Welle entwickeln wird."

Beim Humanen Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV), das ebenfalls Atemwegserkrankungen auslöst, gebe es erfreuliche Nachrichten: "In Innsbruck sehen wir aktuell weniger Fälle bei den hauptsächlich betroffenen Säuglingen als sonst." Möglicherweise bereits ein Effekt des erst kurz vor Weihnachten angelaufenen kostenlosen RSV-Impfprogramms für alle Neugeborenen in Österreich. Die Corona-Fallzahlen sind aktuell weitaus niedriger als im Vorjahr. Gerold: "Da hatten wir schon im Herbst eine Welle, aktuell spielt der Erreger keine so große Rolle."

Erreger der Influenza sind Orthomyxoviren, die in die Typen A, B und C unterteilt werden. Für Menschen sind insbesondere die saisonal auftretenden Influenza A- und B-Viren relevant, wobei bei Influenza A mehrere Subtypen und bei Influenza B zwei Linien (Yamagata-Linie und Victoria-Linie, wobei Yamagata inzwischen als ausgerottet gilt und weltweit nicht mehr zirkuliert) existieren, auf die jährlich angepasste Grippeimpfstoffe ausgerichtet sind. Beide Stämme zirkulieren laut MedUni Wien inzwischen landesweit.

Impfung macht auch jetzt noch Sinn

Die verfügbaren Grippe-Impfungen würden gut gegen diese schützen, versichert die Virologin. Sich den Stich zu holen, mache auch jetzt noch Sinn: "Grundsätzlich empfehlen wir, im Herbst zu impfen, weil es 14 Tage dauert, bis der Impfschutz aufgebaut ist. Weil die Welle aber bis in den Mai andauert, ist es durchaus sinnvoll, sich jetzt noch impfen zu lassen."

Auffällig ist, dass in dieser Saison von Beginn an eine Co-Zirkulation von Influenza-A- und -B-Viren nachgewiesen werden konnte. Das ist ungewöhnlich, weil meist zuerst A-Viren kursieren und erst mit Verzögerung die B-Viren. "An sich ist das für die Bevölkerung aber irrelevant, weil beide eine starke Grippe auslösen können", umreißt Gerold.

Am wichtigsten sei die Impfung für Menschen über 60 Jahre. Sie haben ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf. "Grundsätzlich kann man die Grippe-Impfung aber allen empfehlen, insbesondere auch immunsupprimierten Menschen."

Neben einer Impfung empfiehlt Gerold aus der Pandemie bekannte Hygienemaßnahmen – husten und niesen in die Armbeuge, Händewaschen und Maske tragen, wenn man selbst Symptome oder bei großen Menschenansammlungen Bedenken bezüglich einer Ansteckung hat.

Hohes Fieber wenige Tage nach Ansteckung

Bei der echten Grippe ist ein plötzlicher Krankheitsbeginn charakteristisch: "Die Symptome treten rasch nach der Ansteckung auf, typisch ist hohes Fieber über 38,5 Grad Celsius, trockener Reizhusten sowie Muskel- und Kopfschmerzen", führt Gerold aus. "Wenn die Beschwerden am ausgeprägtesten sind, ist man am ansteckendsten. Fühlt man sich wieder gesund, kann man ohne Bedenken unter Menschen gehen."

Die Grippe-Durchimpfungsraten sind hierzulande traditionell niedrig und bewegen sich um die zehn Prozent. Nach einer Pandemie-bedingt etwas höheren Nachfrage zwischen 2020 und 2022 haben sich die Raten laut dem Österreichischen Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) in der vergangenen Saison wieder bei etwa 13 Prozent eingependelt. Für Gerold ist die Impfträgheit eher unverständlich: "Bei einer schweren Grippe ist man mitunter bis zu 14 Tage außer Gefecht und wir haben eine gut wirksame, sichere Impfung, die dem vorbeugt."

Kommentare