Wie der Geruchssinn unsere Stimmung beeinflusst
Der minzige Geruch von After Eight erinnert ihn an seine Tante. Bei gekochten Erdäpfeln muss er an seine Großmutter denken. Doch am liebsten ist ihm die Apfelblüte – denn die erinnert Johannes Frasnelli an seinen Heimatort Meran. Nur schade, dass der gebürtige Südtiroler die nur noch selten in die Nase bekommt. Denn der Neurowissenschafter lebt und arbeitet mittlerweile in Kanada. Dort forscht er daran, was im Gehirn passiert, wenn wir Gerüche wahrnehmen.
Die Verarbeitung von Riechzeichen findet im limbischen System statt, das auch für Erinnerungen, Emotionen und fürs Lernen zuständig ist. Das erklärt, warum Gerüche Erinnerungen auslösen können, die wiederum mit Gefühlen verbunden sind.
Darüber wusste man vor 20 Jahren, als Frasnelli seine medizinische Laufbahn in Wien startete, noch relativ wenig. Damals stieß der junge Student auf eine Anzeige, in der ein Proband für eine Doktorarbeit zum Thema Riechen gesucht wurde. „Seither ließ mich das Thema nicht mehr los.“
Erst im Jahr 2004 erfuhr das Thema einen großen und medienwirksamen Aufschwung: Linda Buck und Richard Axel erhielten den Nobelpreis für ihre Forschung am Geruchssinn. Heute weiß man zum Beispiel, dass der Geruchssinn einen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unser Wiedererkennungsvermögen hat. Und dass Geruch und Geschmack eng zusammenhängen.
Aktuellste Erkenntnisse belegen nun einen ganz neuen Zusammenhang – nämlich den mit neurologischen Krankheiten. „Wir wollen herausfinden, wie Erkrankungen den Geruchsinn spezifisch beeinträchtigen“, sagt Frasnelli. Unter anderem davon erzählt er im Telefongespräch zwischen Wien und Québec.
KURIER: Was passiert nun im Gehirn, wenn wir einen Geruch wahrnehmen?
Johannes Frasnelli: Geruchsreize sind Moleküle, die über die Atemluft oder über den Rachen in die Nasenhöhle gelangen. Im oberen Bereich der Nasenhöhle befindet sich die Riechschleimhaut. Darin sitzen Nervenzellen, die an ihrer Oberfläche Rezeptoren tragen. Diese sprechen auf Duftstoffmoleküle an und leiten entsprechende Reize ans Gehirn weiter.
Das Besondere ist: Die Verarbeitung von Riechzeichen findet im limbischen System statt, das auch für Erinnerungen, Emotionen und fürs Lernen zuständig ist. Das erklärt, warum Gerüche Erinnerungen auslösen können, die wiederum mit Gefühlen verbunden sind.
Wir erinnern uns einfacher an Momente, die mit Emotionen verbunden sind. Emotionen verstärken Erinnerungen. Dasselbe gilt für Gerüche. Das ist vor allem ein Problem für Menschen, die traumatische Erlebnisse durchgemacht haben – zum Beispiel Soldaten, die durch den Geruch einer Grillerei beim Sommerfest an einen Bombenanschlag erinnert werden.
Lässt sich das auch umgekehrt, also positiv nutzen?
Ja, das machen wir zum Beispiel, wenn wir Parfums auftragen. Damit tragen wir eine Signatur gegenüber anderen und können positive Erinnerungen auslösen. Wenn ich ein After Eight esse, erinnert mich das an meine Tante, weil es die bei ihr immer gegeben hat. Zimt und Gewürznelken bringen mich in die Kindheit zurück, weil sie mich an Weihnachten erinnern.
Der Geruchssinn löst vieles in uns aus, das uns gar nicht bewusst ist. Der Geruchssinn ist für uns viel wichtiger, als wir glauben. Fast jedes Produkt im Supermarkt wird mit Gerüchen verkauft. Weil die Industrie verstanden hat, dass wir darauf ansprechen.
Man kann Geruchsreize natürlich zur Steigerung des Wohlbefindens einsetzen.
Die Aromatherapie setzt ätherische Öle ein, um negativen Gefühlen entgegenzuwirken. Ist das auch so ein Beispiel?
Es gibt Hinweise, dass Pfefferminz die Konzentration erhöht. Insgesamt ist die Aromatherapie aber wissenschaftlich noch wenig nachgewiesen. Das heißt aber nicht, dass man nicht trotzdem Riechreize zur Entspannung nützen kann. Das wird im Wellness-Bereich vielfach gemacht.
Ich kenne die Aromatherapie auch aus der Palliativstation im Krankenhaus.
Man kann Geruchsreize natürlich zur Steigerung des Wohlbefindens einsetzen. Besonders an einem Ort, der sonst nach Krankheit riecht. Inwieweit das therapeutisch wirkt, gilt es nachzuweisen.
Wobei verschiedene Studien gezeigt haben, dass es Riechrezeptoren, die wir in der Nase haben, auch in fast allen anderen Zellen unseres Körpers gibt – auch in der Niere und in der Leber zum Beispiel. Man weiß noch nicht genau, was diese Riechrezeptoren an diesen Geweben machen. Es kann schon sein, dass gewisse Duftstoffe, die wir riechend wahrnehmen, irgendwo im Körper auf diese Rezeptoren treffen und wirken. Das ist noch Gegenstand aktueller Forschung.
Was bringt Geruchstraining?
Wir haben einige Studien dazu durchgeführt. Bei Menschen, die den Geruchssinn verloren haben, kann Geruchstraining helfen. Scheinbar verbessert es nicht nur den Geruchssinn, sondern auch die Hirnstruktur.
Wir haben beobachtet, dass bei Menschen mit gutem Geruchssinn, also Sommeliers, die Großhirnrinde dicker ist als bei Vergleichsprobanden. Besonders bei jenen, die schon lange berufstätig sind. Normalerweise wird diese Rinde im Laufe des Lebens dünner. Interessant wäre es noch herauszufinden, ob sich die anderen Funktionen dieser Gehirnregion auch mitverändern.
Wir haben beobachtet, dass bei Menschen mit gutem Geruchssinn, also Sommeliers, die Großhirnrinde dicker ist als bei Vergleichsprobanden.
Sie sind Geruchs- und Hirnforscher. Welche Information kann denn der Geruchssinn über die Gesundheit des Gehirns geben?
Wir wissen, dass neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz und Parkinson in 95 Prozent der Fälle mit einer Riechstörung verbunden sind. Diese tritt 10 bis 15 Jahre vor den anderen Krankheitssymptomen wie Zittern oder Vergessen auf. Die Degeneration von Nervenzellen betrifft die Riechzellen also noch viel früher als andere Nervenzellen. Wenn also jemand ohne ersichtlichen Grund – wie etwa einen Unfall – den Geruchssinn verliert, kann dies ein frühes Anzeichen für eine Erkrankung sein.
Könnte man also Riechtests verwenden, um Krankheiten vorherzusagen und vielleicht sogar abzuwenden?
Das ist die Frage. Wir haben zurzeit Studien am Laufen, in denen wir Menschen mit Parkinson und mit Alzheimer untersuchen, um herauszufinden, was genau an ihrem Geruchssinn beeinträchtigt ist. Ist es das Erkennen von Gerüchen? Das Gedächtnis? Die Unterscheidbarkeit? So wollen wir feststellen, ob es eine krankheitsspezifische Beeinträchtigung gibt.
Wie weit sind Sie mit den Studien?
Bei Parkinson haben wir bereits ein Beeinträchtigungsmuster festgestellt und daraus einen Test entwickelt. Den wollen wir jetzt bei Hochrisikogruppen testen.
Wo könnte man Riechtests noch verwenden?
Wir haben eine Studie mit Menschen mit Gehirnerschütterung durchgeführt und ihren Geruchssinn getestet. Es hat sich gezeigt, dass jene, die innerhalb von 24 Stunden eine Riechstörung hatten – das war knapp die Hälfte – eine viel höhere Wahrscheinlichkeit haben, langfristig Angststörungen oder depressive Verstimmungen zu entwickeln. In der Theorie könnte der behandelnde Arzt also den Geruchssinn testen und frühzeitig eingreifen, indem er Therapien anbietet.
Eine englische Studie hat gezeigt, dass sich bei Menschen mit Parkinson der Körpergeruch ändert. Wäre das ebenfalls ein potenzieller Ansatz?
Gewisse Erkrankungen gehen mit einer typischen Veränderung des Körpergeruchs einher, das stimmt. Wir wissen das zum Beispiel bei chronischer Niereninsuffizienz. Auch bei Schizophrenen verändert sich der Botenstoffhaushalt im Gehirn, das verändert die Schweißproduktion, sie bekommen einen anderen Geruch. Das ist allerdings nicht mein Fachgebiet. Aber ich bin mir sicher, wir werden in den nächsten Jahren viel Neues lernen.
In der Theorie könnte der behandelnde Arzt also den Geruchssinn testen und frühzeitig eingreifen, indem er Therapien anbietet.
Tragen Sie selbst Parfum?
Nein. Weil wir viele Riechtests machen, da wollen wir so neutral wie möglich riechen. Aber natürlich wasche ich mich (lacht).
Was ist für Sie ein besonders ungewöhnlicher Geruch?
Die Durianfrucht aus Asien, die ist schon sehr speziell. Es gibt auch Käse, den ich gerne esse, dessen Geruch aber zweifelhaft ist (lacht).
Und was riechen Sie am liebsten?
Das hängt von vielen Sachen ab. Ich bekomme diese Frage häufig gestellt und gebe selten die gleiche Antwort. Der Geruch von gekochten Erdäpfeln zum Beispiel, der erinnert mich an meine Großmutter. Und Apfelblüte, die erinnert mich an meine Heimat Meran.
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