Perimenopause: "Ende 30 denken die wenigsten an die Wechseljahre"

Der Begriff "Menopause" bezeichnet die letzte Menstruation im Leben einer Frau ohne Entfernung der Gebärmutter.
Schlafprobleme, Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten: Als eine Patientin – sie war gerade vierzig geworden – kürzlich bei einer Routineuntersuchung beiläufig von diesen Beschwerden berichtete, wurde Katrin Schaudig sofort hellhörig.
Die Gynäkologin betreut in ihrer Hamburger Praxis Frauen aller Altersgruppen. Sie weiß: "Wenn Ende dreißig plötzlich diese diffusen Symptome auftauchen, denken die wenigsten an die Wechseljahre."
Menopause und Perimenopause
Die Menopause, wie die letzte Regelblutung genannt wird, tritt bei Frauen in Österreich im Schnitt im Alter von 51 Jahren ein. In den Jahren davor durchläuft der weibliche Körper eine bedeutende Phase hormoneller Umstellung: Die Eierstöcke drosseln die Produktion von Östrogen und Progesteron.
Diese Drosselung verläuft nicht allmählich, sondern geht mit stark schwankendem Hormonspiegel einher. Perimenopause nennt man diese Umstellungsphase, die bis ein Jahr nach der Menopause anhält. "Die feingetunte Zyklusfunktion und damit einhergehende Hormonausschüttung gerät durcheinander", beschreibt Schaudig, auch Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft. "Was damit zu tun hat, dass der Eizellvorrat langsam zur Neige geht. Das Tückische ist, dass die Perimenopause schon viele Jahre vor der letzten Regelblutung losgehen kann, aber häufig nicht als solche erkannt wird."
Erst kürzlich ergab eine US-Studie gar, dass die Hälfte aller Frauen im Alter von 30 bis 35 Jahren bereits unter mäßigen bis schweren Wechsel-Symptomen leidet. Viele Frauen würden erst ab 50 mit entsprechenden Beschwerden rechnen.
Verkannte Umbruchsphase
Der gesamte Eizellvorrat wird jeder Frau schon bei der Geburt mitgegeben. "Dieser Vorrat erscheint anfangs wahnsinnig groß", sagt Schaudig. Mit jedem Ei, das es pro Zyklus zum Eisprung schafft, geht jedoch eine ganze Kohorte zugrunde. Rund zehn Jahre vor der letzten Blutung ist der Eizellvorrat bereits erheblich geschrumpft.
Häufig gehen mit der Perimenopause die eingangs genannten Symptome einher. Auch Wortfindungsstörungen und Gelenksschmerzen sind typisch. Bei Schlafproblemen sind Durchschlafstörungen dominant. "Häufig können die Frauen gut einschlafen, wachen aber nachts mit Herzklopfen auf und liegen wach", beschreibt Schaudig.
Sowohl bei Frauen selbst als auch bei behandelnden Ärztinnen und Ärzten mangelt es an Bewusstsein für diese Übergangsphase. "Auch deshalb, weil sie sich über einen Hormonspiegel nicht gut abbilden lässt." Schaudigs Patientin führte ihre Beschwerden auf Stress zurück. "Ein Klassiker", sagt Schaudig. Dass die Perimenopause oft unerkannt bleibt, sei "schade, denn allein die Erkenntnis, dass bestimmte Symptome darauf zurückgehen, kann entlasten".
Bekannte Symptome
Je näher die letzte Periode rückt, desto prominenter werden klassische Wechselbeschwerden. "Wenn ein echter Östrogenmangel eintritt, treten Hitzewallungen auf – meist in Kombination mit anhaltenden Schlafstörungen und depressiven Stimmungseinschränkungen."
Nach der letzten Blutung würden Frauen auch mit Scheidentrockenheit, damit verbundenen Schmerzen beim Sex, Blasenentzündungen und Dranginkontinenz kämpfen. Weil der dafür verantwortliche Östrogenmangel nach der letzten Periode fortdauert, können viele dieser Symptome Frauen lange begleiten. "Mit 60 Jahren haben noch an die 40 Prozent der Frauen mehr oder weniger häufig Wallungen", so Schaudig. "Es gibt auch Frauen, die mit 70 oder 80 Jahren noch schwitzen." Ein unterschätztes Symptom sei die anhaltende Scheidentrockenheit: "Dabei kann man hier mit hyaluronhaltigen Gels oder einer lokalen Gabe von Östrogen gut behandeln."

Dr. med. Katrin Schaudig ist Frauenärztin und Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft, leitet die Praxis "Hormone Hamburg" und Ärzte-
Fortbildungen.
Pflanzliche bis hormonelle Therapie
Stichwort Behandlung: Wechselbeschwerden zu therapieren sei immer dann sinnvoll, "wenn sie als belastend erlebt werden", betont die Expertin. Zur Verfügung stehen zum einen pflanzliche Mittel. "Hier kann man entweder mit östrogenartigen Pflanzenwirkstoffen arbeiten, mit so genannten Phytoöstrogenen." Etwa Isoflavone wie aus Soja, sibirischer Rhabarberwurzel, Hopfen oder Rotklee. "Man kann aber auch mit pflanzlichen Präparaten gezielt Beschwerden lindern." Und meint damit: Extrakte aus Traubensilberkerze gegen Hitzewallungen, Johanniskraut gegen Stimmungstiefs oder Baldrian bei Schlafproblemen.
Auch Yoga, Akupunktur oder Achtsamkeits- und Entspannungstechniken sowie die kognitive Verhaltenstherapie können Belastungen in dieser Lebensphase reduzieren. Studien, die zum Schluss kommen, dass zu viel Bewegung Hitzewallungen triggert, sieht Schaudig zwiegespalten: "Tatsächlich kann Sport, wenn er nicht allzu exzessiv betrieben wird, hilfreich sein, vor allem zur Reduktion von Schlafstörungen und depressiven Stimmungen."
Sinnvoll kann eine Ernährungsumstellung mit Blick auf die von vielen Frauen erlebte Gewichtszunahme sein. Mit Einsetzen des Östrogenmangels sinkt der Grundumsatz und die Muskelmasse nimmt ab. Schlechter Schlaf und Stimmungstiefs befeuern die Kortisol-Pegel. Das Stresshormon bremst die Fettverbrennung und kurbelt den Appetit an.
"Wenn alles nichts hilft, kann man mit Hormonen arbeiten", sagt Spezialistin Schaudig. "Wenn der Eierstock seine Funktion komplett eingestellt hat und betroffene Frauen weiter unter Symptomen leiden, setzen wir gern natürliches Östrogen in Kombination mit natürlichem Progesteron ein." In der Phase davor, wenn die Östrogenspiegel noch schwanken, kann auf eine östrogenfreie Pille gepaart mit natürlichem Östrogen gesetzt werden. "Wobei das nur bei erheblichem Leidensdruck ein nachvollziehbarer Weg ist."
Sinnvoll sei, dass Östrogen als Gel, Pflaster oder Spray zu verabreichen: "So umgeht man das erhöhte Thrombose- und Schlaganfallrisiko, das mit einer oralen Einnahme verbunden sein kann. Das ist vor allem bei Risikopatientinnen wichtig." Wichtig sei die Kombination mit Progesteron oder einem vergleichbaren Gestagen, da eine reine Östrogengabe über lange Zeiträume das Risiko für Gebärmutterschleimhautkrebs ansteigen lässt.
Moderne Hormonpräparate gehen mit weniger unerwünschten Nebenwirkungen einher, "als wir sie aus älteren Studien kennen". Darüber hinaus seien schützende Effekte in puncto Knochen, Diabetes und auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt. Schaudig: "Allerdings wissen wir, dass Frauen, die nach der Menopause für viele Jahre Hormone nehmen, ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko haben." Bei Frauen, die bereits an Brustkrebs erkrankt waren, ist von einer Hormontherapie unbedingt abzusehen. Was letztlich für oder gegen Hormone spricht, müsse immer im Einzelfall abgewogen werden.
Phasenhaft
Der Begriff "Menopause" bezeichnet die letzte Menstruation im Leben einer Frau ohne Entfernung der Gebärmutter. Ein Jahr nach der letzten
Blutung beginnt die Postmenopause.
Östrogene werden in den Eibläschen der Eierstöcke gebildet. Sind sie verbraucht, erlischt die Östrogenproduktion aus dem Eierstock.
Wechselsymptome
Acht von zehn Frauen erleben in den Wechseljahren Beschwerden, vor allem Hitzewallungen. Etwa ein Drittel hat schwere Symptome, welche Lebensqualität und Funktionsfähigkeit im Alltag stark einschränken.
Um die Lebensmitte
Zeitpunkt der letzten Blutung Frauen erleben die Menopause durchschnittlich im Alter von 51 bis 52 Jahren. Etwa ein Prozent wird vor vierzig davon überrascht, eine von tausend Frauen unter dreißig.
Seit 2023 gibt Katrin Schaudig ihr Wissen über die Wechseljahre im Podcast "Hormongesteuert" des MDR weiter.
Gene bis Lebensstil
Faktoren Rauchen und Diabetes sowie andere chronische Erkrankungen können die
Menopause um ca. zwei Jahre früher eintreten lassen. Zwischen Müttern und Töchtern gibt es Ähnlichkeiten beim Menopause-Alter.
Thermoregulation mittels Fezolinetant steuern
Recht neu in Europa zugelassen sind nicht-hormonell wirksame Neurokinin-3-Rezeptor-Antagonisten gegen klimakterische Beschwerden. Hier wird über die Beeinflussung der Thermoregulation im Körper Hitzewallungen, Nachtschweiß und teils auch Schlafstörungen entgegengewirkt. Der Wirkstoff Fezolinetant "blockiert – und das ist ziemlich intelligent – direkt im Wärmeregulationszentrum im Gehirn die Wirkung des Stoffs, der Hitzewallungen triggert". Das Nebenwirkungsprofil sei günstig, wenngleich in Einzelfällen Leberwerterhöhungen vorkommen können.

Altersbedingte hormonelle Veränderungen können auch für Männer spürbar sein.
Auch manch reiferer Mann erlebt Hitzewallungen, Gewichtszunahme und Libidoverlust.
Aber, gibt es die Andropause wirklich?
Hitzewallungen und Schweißausbrüche, Stimmungsschwankungen, Verlust der sexuellen Lust: Solche Beschwerden assoziieren die meisten mit den Wechseljahren bei Frauen. Nur die wenigsten wissen: Auch Männer kommen in den Wechsel. Analog zur Menopause werden der sinkende Testosteronspiegel und damit verbundene Symptome oft unter dem Begriff "Andropause" zusammengefasst.
Ein Gros der Fachleute hält diesen für unpassend: "Er suggeriert, es gebe ein männliches Gegenstück zu den weiblichen Wechseljahren, was so nicht stimmt", sagt Shahrokh Shariat, Vorstand der Universitätsklinik für Urologie an der MedUni Wien. Zum einen komme es nicht wie bei Frauen zu einem schlagartigen, sondern zu einem kontinuierlichen Abfall der Hormonproduktion. "Zweitens beeinflussen die hormonellen Veränderungen nicht die Fruchtbarkeit."
Eine anerkanntere Bezeichnung ist etwa das Kürzel LOH (Late Onset Hypogonadism). Uneinig ist sich die Wissenschaft darüber, wie viele Männer über 50 betroffen sind. In Studien schwanken die Zahlen zwischen drei und 30 Prozent.
Hormontherapie abwägen
Fakt ist: Ein sinkender Testosteronspiegel kann unangenehme Symptome verursachen. Diese reichen von Libidoverlust und Erektionsstörungen über wachsendes Bauchfett, schwindende Muskelkraft und Knochendichte sowie Erschöpfung bis hin zu Nervosität, Konzentrationsstörungen und depressiver Verstimmtheit. Wird ein niedriger Testosteronspiegel als Ursache ausgemacht, kann die Gabe von Hormonen ärztlich erwogen werden.
"Vor- und Nachteile müssen vorab besprochen werden, während der Behandlung muss etwa der Testosteronwert überprüft werden", sagt Shariat, der zu bedenken gibt, dass die Substitutionstherapie Schlafprobleme und gutartige Vergrößerungen der Prostata befördern kann. Leidet man an Prostatakrebs, kann die Behandlung diesen stimulieren.
Auch eine Veränderung des Lebensstils – Stress, Schlafmangel, Alkohol und Nikotin sind Testosteron-Feinde – und ärztlich verordnete pflanzliche Präparate können Linderung bringen. Shariat: "Erfreulich wäre, wenn das Thema enttabuisiert wird und Männer erkennen, dass man etwas dagegen tun kann."
Inwieweit die gesellschaftliche Wahrnehmung des Älterwerdens bei klimakterischen Beschwerden eine Rolle spielt, sei unzureichend erforscht, sagt Schaudig. Dass etwa Frauen in Asien, wo die Weisheit älterer Frauen traditionell hochgehalten wird, seltener über heftige Wechselbeschwerden berichten, sei eher auf niedrigere Übergewichtsraten rückführbar: "Übergewichtige Frauen haben meist stärkere Hitzewallungen." Diskutiert wird auch der Effekt eines erhöhten Sojakonsums – die in Soja enthaltenen Isoflavone ähneln in ihrer Struktur dem weiblichen Sexualhormon Östrogen.
Mit dem Wechsel in neuen Lebensabschnitt starten
Wichtig im Hinblick auf den besseren Umgang mit dem Wechsel sei, "älter werdenden Frauen Mut zuzusprechen, anstatt das Älterwerden in ein unschönes Eck zu drängen", umreißt Schaudig, die ein wachsendes Selbstbewusstsein von Frauen jenseits der Lebensmitte beobachtet. Das zeige sich darin, dass mehr über die Menopause gesprochen werde. "Weil Frauen auch in dieser Phase ihres Lebens wahrgenommen werden wollen."
Es gebe, betont Schaudig, ein Leben nach der Menopause – "und das sollten wir uns möglichst hübsch machen".
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