Nussig-aromatisch oder doch muffig-erdig? Am Geschmack der Roten Rübe scheiden sich bekanntlich die Geister.
Hinter ihrer braun-roten, oft leicht runzeligen, manchmal etwas unansehnlichen Schale verbirgt sich jedenfalls eine potente Essenz, weiß Oliver Neubauer. "Insbesondere das enthaltene Nitrat wirkt nach Umwandlung in das Signalmolekül Stickstoffmonoxid leistungsfördernd, gefäßschützend und blutdrucksenkend", umreißt der Ernährungswissenschafter das Potenzial des Gemüses.
Neubauer forscht seit vielen Jahren zu den gesundheitsfördernden Effekten der in Österreich mancherorts auch Raunen oder im Dialekt "Rauna" genannten Pflanze. Gerade läuft eine neue Studie dazu unter seiner Leitung an. In der vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Untersuchung richtet er den Blick auf eine besondere Zielgruppe: Frauen jenseits der Menopause.
Effekte bei erhöhtem Blutdruck
Mit dem Projekt knüpft Neubauer mit seinem Team an Erkenntnisse aus vergangenen Forschungen an. "In einer früheren Studie haben wir die Wirkungen von nitratreichem rotem Rübensaft bei älteren Menschen mit erhöhtem Blutdruck untersucht", erklärt er.
Auf Dauer kann Bluthochdruck Herz, Blutgefäße, Gehirn, Augen und Nieren schädigen. Das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenerkrankungen steigt. "Unsere Probandinnen und Probanden waren bereits medikamentös eingestellt – wir wollten ergänzende Effekte der Roten Rübe erheben", sagt Neubauer, der an der Uni Wien einen ganzen Forschungsbereich zu den Wirkungen von Ernährungs- und Trainingsmaßnahmen zur Gesundheitsförderung leitet.
Vier Wochen lang tranken die Teilnehmenden täglich entweder nitratreichen oder lebensmitteltechnologisch veränderten, nitratfreien Saft. In der ersten Gruppe konnten akut blutdrucksenkende, ebenso wie entzündungshemmende und zellschützende Wirkungen beobachtet werden.
Frauengesundheit im Fokus
Auswirkungen, die Neubauer nun mit Blick auf Frauen weiter ergründen will. "Frauen haben lange Zeit in der biomedizinischen Forschung wenig Beachtung gefunden", schickt er voraus. Zudem werde ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach wie vor unterschätzt. Ein Irrtum, wie Daten immer wieder belegen. So geht etwa aus dem österreichischen Frauengesundheitsbericht 2022 hervor, dass mehr Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben als Männer. "Frauen werden zwar älter, verbringen aber mehr Jahre in schlechter Gesundheit, hier spielen Herzleiden eine große Rolle", schildert Neubauer.
Mit dem Älterwerden erleidet auch das Herz-Kreislauf-System Funktionsverluste. Die Blutgefäße werden weniger flexibel und dehnungsfähig, das Risiko für Bluthochdruck steigt. "Bei Männern verläuft dieser Prozess linear", erläutert Neubauer. "Bei Frauen vollzieht sich mit der Menopause durch den hormonellen Umbruch und der Rückgang der Östrogen-Produktion ein Knick nach unten." Gleichzeitig schlagen herzgesunde Interventionen wie Bewegung bei Frauen in geringerem Maße an. "Es entsteht ein bedeutendes Risikoprofil."
Trainingseffekte durch nitratreichen Rübensaft verstärken
Diesem möchte Neubauer mit der Roten Rübe beikommen. Seine These: "Wir wollen die Trainingseffekte durch nitratreichen Rübensaft verstärken – und die Herzgesundheit von Frauen jenseits der Lebensmitte stärken." Aktuell werden noch Teilnehmerinnen für das neue Forschungsprojekt, das in Zusammenarbeit mit der MedUni Wien und der Donau-Uni-Krems durchgeführt wird, gesucht (siehe Infobox).
Mit seinem Interesse an der Roten Rübe sind die österreichischen Forschenden nicht allein: Fachleute der US-amerikanischen Penn State University postulierten kürzlich ebenfalls, dass Rote-Rüben-Saft Frauen nach dem Wechsel vor Herzleiden schützen könne. Dazu müsste man ihn täglich konsumieren. Eine Empfehlung, der Neubauer etwas abgewinnen kann: "Auch wir arbeiten mit 70 Milliliter konzentriertem Saft täglich, also einem Espresso-Shot Rote Rübe." Ein Stamperl pro Tag sei allgemein die einfachste Form, sich die leistungs- und gesundheitsfördernden Effekte zunutze zu machen. "Am besten immer als Teil einer ausgewogenen und pflanzenbetonten Ernährung."
Nahrungsergänzungsmittel auf Basis der Roten Rübe sieht er kritisch: "Das Nitrat entfaltet in der Rübe ein einzigartiges Wirkungsprofil, das meiner Meinung nach mit einer Kapsel nicht erreicht werden kann", betont Neubauer, der um das schlechte Image von Nitrat weiß.
"Es ist ganz wichtig, zwischen potenziell schädlichem Nitrat aus stark verarbeiteten Fleischwaren und natürlichem Nitrat aus pflanzlichen Lebensmitteln zu unterscheiden." Neben der Roten Rübe seien auch Spinat, Rucola oder etwa Mangold reich an pflanzlichem Nitrat.
Spannender Signalweg
Studien legen nahe, dass die Mundflora zur Wirkung auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit beiträgt. "Der Signalweg ist tatsächlich spannend", bestätigt Neubauer. "Nitrat wird aufgenommen, geht ins Blut, vom Blut zurück in den Mundraum, wo die Speicheldrüsen das Nitrat sekretieren und Bakterien es weiter zu gefäßaktiven Stoffen umwandeln."
Auch förderliche Effekte auf Muskelkraft, Lungen- und Augengesundheit werden beim Gemüsesaft immer wieder festgestellt. "Wir kennen mittlerweile viele Studien, die positive Wirkungen nahelegen", sagt Neubauer.
Nun sei es wichtig, "das Potenzial gezielt für bestimmte Personengruppen zu nutzen".
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