Neue Pandemie? Wie es um die Vogelgrippe steht
In den USA befällt das Vogelgrippevirus H5N1 derzeit immer mehr Milchkühe. Insgesamt 132 Herden in zwölf US-Bundesstaaten wurden seit Anfang 2024 positiv auf das Virus getestet. Auch in nicht pasteurisierten Milchprodukten im Handel wurde es nachgewiesen. Zudem kam es zu Übertragungen von Kühen auf Mitarbeiter von Rinderfarmen. Der Chef-Virologe der Berliner Charité, Christian Drosten, ließ kürzlich in einem deutschen Interview damit aufhorchen, dass das Vogelgrippevirus der mögliche Auslöser für eine kommende Pandemie sein könnte. Ein aktuelles Experiment amerikanischer Wissenschafter brachte hingegen gute Nachrichten - die Forscher beruhigen. Wie steht es nun tatsächlich um die Vogelgrippe?
Fakt ist, dass in den USA seit Beginn des Jahres drei bekannte Übertragungen von infizierten Kühen auf Menschen nachgewiesen wurden. Es handelte sich um Mitarbeiter von Milchviehbetrieben – die erste Übertragung wurde Anfang April bekannt gemacht. Die Fälle hängen nicht miteinander zusammen, die Ansteckung erfolgte laut der US-Gesundheitsbehörde CDC von Tier zu Mensch. Eine Übertragung Mensch zu Mensch wurde bisher nicht festgestellt. "Das Risiko für die Allgemeinheit, die nicht mit infizierten Tieren in Berührung kommt, bleibt gering", heißt es von der CDC. Es gebe auch keine Anzeichen für eine ungewöhnliche Influenza-Aktivität in den betroffenen US-Bundesstaaten.
Übertragung bei vielen Säugetieren nachgewiesen
Wie die "echte Grippe" beim Menschen wird die Vogelgrippe durch Influenza-A-Viren ausgelöst, aber durch andere Subtypen. Sie befällt vor allem Vögel, wurde aber auch bei vielen Säugetieren gefunden. Neben Kühen sind das etwa Katzen, Hunde, Schweine, Pferde, Bären und Robben. Bei Kühen führt die Infektion zu einem Rückgang der Milchproduktion, die meisten erholen sich normalerweise wieder.
Infektionen von Menschen traten bisher nur wenig auf. Fachleute sind aber besorgt, dass sich das Virus an den Menschen anpassen und dann von Mensch zu Mensch übertragen werden könnte. Im Interview mit dem deutschen Redaktionsnetzwerk betonte Virologe Drosten, die Ausbreitung der Vogelgrippe unter Säugetieren könne auch "glimpflich ablaufen, das Virus braucht mehrere Schritte zur Anpassung, und vielleicht ist es vorher schon unter Kontrolle. Aber es kann auch schon der Anlauf zu einer nächsten Pandemie sein, den wir hier live mitverfolgen." Für eine bessere Einschätzung würden ihm aber Daten fehlen – insbesondere dazu, wie häufig sich Menschen anstecken, die mit infizierten Kühen zu tun haben.
Vermischung von Grippe- und Vogelgrippeviren könnte neues gefährliches Virus hervorbringen
Problematisch wäre eine Vermischung normaler Grippeviren mit Vogelgrippeviren – sie könnte potenziell gefährlichere Erreger hervorbringen. In den USA wird daher Mitarbeitern von Geflügel- und Milchviehbetrieben eine Grippeimpfung empfohlen. Sie verhindert zwar nicht die Infektion mit H5N1, kann aber das Risiko einer gleichzeitigen Infektion und damit einer Vermischung von Vogelgrippe- und normalen Grippeviren senken.
Wie die Übertragung des Vogelgrippevirus von Kühen auf den Menschen erfolgt, wird noch untersucht. Ein Experiment amerikanischer und deutscher Wissenschafter zeigt nun aber, dass die Übertragung zwischen Kühen wahrscheinlich nicht über die Atemluft erfolgt. Vielmehr gibt es Hinweise auf kontaminierte Melkmaschinen. "Ich denke, das ist eine gute Nachricht, denn wir können es (das Virus, Anm.) wahrscheinlich leichter kontrollieren, als die Leute dachten", wird Jürgen Richt, Virologe an der Kansas State University, der die Forschung leitete, in der New York Times zitiert.
Noch wurden die Ergebnisse seiner Untersuchung nicht veröffentlicht oder begutachtet. Für Richt ist aber positiv, dass das Virus wahrscheinlich nicht über Tröpfchen aus den Atemwegen etwa beim Atmen oder Husten verbreitet wird, da dies die Verbreitung deutlich beschleunigen kann.
"Nicht wie ein typisches Atemwegsinfluenzavirus"
Für das Experiment wurden gezielt Kühe mit H5N1 infiziert. Die Tiere entwickelten die erwarteten Symptome wie Fieber, Appetitlosigkeit und sie produzierten weniger Milch. Wurden die infizierten Tiere mit gesunden Tieren zusammengebracht, kam es zu keiner Ansteckung. "Wir haben keine Übertragung gesehen. Das Virus verhält sich nicht wie ein typisches Atemwegsinfluenzavirus", wird Richt zitiert. Dass über die Brustzellen im Euter Influenzaviren in Kühe gelangen können, ist hingegen schon länger bekannt - und spräche für die Übertragung mittels kontaminierter Melkmaschinen. Die Ergebnisse basieren allerdings nur auf einem kleinen Experiment und es bräuchte weitere Daten.
Fachleute sind jedoch besorgt. Die EU bestellte vorsorglich 665.000 Impfdosen für Menschen, deren Infektionsrisiko besonders hoch ist. Dazu zählen Mitarbeiter von Geflügelfarmen oder Tierärzte. Die Impfung soll verhindern, dass das Virus von Tieren auf den Menschen übertragen wird. Drosten sprach sich im Interview dafür aus, auch Kühe vorsorglich zu impfen.
Fälle in Geflügelhaltungen
Laut AGES wurden von Oktober 2023 bis April 2024 in vier Geflügelhaltungen – ein Tierpark und drei Hobbyhaltungen – Vogelgrippe festgestellt. In diesem Zeitraum wurde zudem in allen Bundesländern außer Salzburg der Erreger auch bei Wildvögeln gefunden. Mit 5. Juni wurden alle ausgewiesenen Gebiete mit erhöhtem Vogelgrippe-Risiko aufgehoben.
Kontakt vermeiden
Wer Geflügel hält, sollte direkte und indirekte Kontakte zwischen Geflügel und Wildvögeln verhindern. Treten Gesundheitsprobleme bei Tieren in Geflügelbetrieben auf, sollte eine tierärztliche Untersuchung erfolgen, um Vogelgrippe auszuschließen.
Tot aufgefundene Wasservögel und Greifvögel müssen bei der zusätndigen Bezirksverwaltungsbehörde gemeldet werden. Sie dürfen aber nicht berührt werden, sondern sollen am Fundort belassen werden. Die Bergung wird von den Behörden veranlasst.
Übertragung von Mensch zu Mensch weltweit noch nicht beobachtet
"Fast alle Infektionen beim Menschen sind auf engen direkten Kontakt mit infiziertem oder erkranktem Geflügel oder indirekt über deren Fäkalien zurückzuführen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde weltweit noch nicht beobachtet", heißt es auf der Website der AGES.
Vögel, insbesondere kranke oder sterbende, sollten nicht berührt werden. Dies gilt auch für Tiere auf Geflügelmärkten wie sie in vielen Ländern, etwa China oder Ägypten stattfinden. In Bezug auf die Übertragung von H5N1 über Milch empfiehlt die WHO pasteurisierte statt rohe Milchprodukte zu konsumieren.
Kommt es beim Menschen zu einer Infektion mit Vogelgrippe, vergehen laut dem deutschen Robert-Koch-Institut im Schnitt fünf Tage bis es zu Symptomen kommt. Typischerweise sind das Fieber, Husten, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Auch klassische Grippe-Symptome wie Gliederschmerzen, Hals- und Kopfschmerzen können auftreten. Bei den drei Mitarbeitern von US-Milchviehbetrieben erlitten zwei eine Bindehautentzündung, beim dritten traten Husten und andere Atemwegsbeschwerden auf.
Je nach Virustyp liegt die Sterblichkeit bei 20 bis 60 Prozent. Wie bei der echten Grippe kann eine Infektion mit dem Vogelgrippevirus mit antiviralen Medikamenten behandelt werden.
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