Österreich als Vogelgrippe-Risikogebiet: Wie gefährlich ist die Geflügelpest?
Für Geflügelhalter ist es ein großer Schock: In fünf Betrieben in Ober- und Niederösterreich kam es zu Infektionen von Tieren mit Vogelgrippeviren. Österreichweit gelten deshalb seit Freitag in der Geflügelhaltung strengere Sicherheitsmaßnahmen - der KURIER berichtete. Damit ist die Fütterung der Tiere im Freien verboten und der Kontakt zwischen Geflügel und Wildvögeln muss durch Netze oder Dächer verhindert werden. In 25 Bezirken mit stark erhöhtem Risiko gilt Stallpflicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist mit "Vogelgrippe" eigentlich gemeint?
"Vogelgrippe" ("aviäre Influenza") bezeichnet in erster Linie eine Erkrankung durch Influenza-A-Viren bei Vögeln. Aviäre Influenza-A-Viren der Subtypen H5 und H7 können bei Nutzgeflügel, insbesondere bei Hühnern und Puten zu schweren Schäden in den Tierbeständen führen, weil ein Großteil des infizierten Geflügels an der Krankheit stirbt. "Daher kommt auch der Begriff 'Geflügelpest', die also eine besonders schwere Form der Vogelgrippe meint", heißt es beim deutschen Robert-Koch-Institut (RKI). "In der Umgangssprache werden die Begriffe Geflügelpest und Vogelgrippe jedoch häufig synonym verwendet." In Europa zirkuliert derzeit der Subtyp (A)H5N1.
Wie kommen die Vogelgrippeviren nach Österreich?
Das Virusreservoir sind Wildvögel. Mit den Zugvögeln werden die Viren von Kontinent zu Kontinent verbreitet. Wilde Wasservögel wie Enten, Gänse und Schwäne zeigen in der Regel keine Symptome, können aber massiv Virus ausscheiden, über Kot, Speichel und Tränenflüssigkeit, heißt es bei der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit). "Dass gerade jetzt im Herbst vermehrt Fälle auftreten, hängt zum einen mit dem Vogelzug zusammen", erläutert Elke Reinking, Pressesprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) - des deutschen Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit - im KURIER-Gespräch: "An den Rastplätzen kommen jetzt viele Vögel auf engem Raum zusammen und geben Infektionen weiter. Zum anderen bleibt das Virus umso länger infektiös, je kälter und feuchter es ist."
Welche Symptome zeigen sich bei Geflügel?
Sie reichen von Atembeschwerden, Durchfall, Blutungen, Schwellungen, deutlich reduzierter Futteraufnahme bis hin zu Mattigkeit und Fieber. "Die Geflügelhalter merken die Erkrankung sofort", erklärt Reinking: "Legehennen legen keine Eier mehr, sie fressen nicht mehr und verenden oft innerhalb von nur 24 bis 48 Stunden."
Kann man Vogelgrippe bei Geflügel behandeln?
Nein, es gibt keine Therapie und auch keinen zugelassenen Impfstoff, so die AGES. Die einzige Maßnahme ist die dauerhafte Trennung von Geflügel und Wildvögeln sowie deren Ausscheidungen.
Besteht ein Risiko auch für den Menschen?
"Der Subtyp (A)H5N1, der derzeit in Europa auftritt, ist schlecht an den Menschen angepasst und Erkrankungen wurden in Europa bisher nicht beobachtet", heißt es bei der AGES. Auch eine Infektion über Lebensmittel wie Eier oder Fleisch schließt Elke Reinking in Deutschland und Österreich - "beide Länder arbeiten da eng zusammen" - aus. Das sieht man auch bei der AGES so: "Sobald es nur zu einem Verdacht auf einen Seuchenausbruch in einem Betrieb kommt, dürfen keine Tiere und keine Produkte mehr den Betrieb verlassen. Bei einer Bestätigung des Verdachts müssen alle Tiere des Betriebs getötet und in eine Tierkörperverwertung gebracht werden. Auch die Eier werden vernichtet." Kranke Tiere würden auch sofort vor der Schlachtung auffallen.
Laut WHO gab es seit 2003 weltweit mehr als 2.600 Erkrankungen von Menschen an verschiedenen Vogelgrippe-Viren und rund 1.100 Todesfälle. Wie ist das einzuordnen?
"Diese Zahlen muss man sehr differenziert sehen", betont Reinking. "Viele dieser Fälle ereigneten sich in Südostasien, wo unter anderem eine A(H5N1)-Variante kursiert, die deutlich krankmachender für den Menschen ist als jene, die bei uns verbreitet sind." Überdies ist der Kontakt zwischen Mensch und Tieren in Asien vielfach wesentlich enger als in Europa.
Kann eine Infektion über Lebensmittel gänzlich ausgeschlossen werden?
Zu dieser Frage hat das deutsche Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) Stellung genommen: "Grundsätzlich kann eine Übertragung des Erregers über infizierte Lebensmittel nicht ausgeschlossen werden. Infektionen des Menschen mit dem Vogelgrippe-Virus sind aber selten und der direkte und enge Kontakt mit infiziertem Geflügel oder anderen Tierarten scheint der hauptsächliche Übertragungsweg auf den Menschen zu sein. Dem BfR liegen bisher keine Daten vor, die belegen, dass sich Menschen über Lebensmittel mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert hätten und erkrankt wären."
Seit März sorgt ein massiver Ausbruch von Vogelgrippe bei Rindern in den USA für erhebliche Probleme in der dortigen Milchindustrie. Aus den USA gibt es seit heuer immer wieder Meldungen von Infektionen von Rindern mit Vogelgrippe-Viren. Gibt es solche Fälle auch in Europa?
Nein. Die Infektionen bei Rinder sind auf die USA beschränkt. "Im Oktober waren 64 US-Milchviehbetriebe betroffen, davon 45 in Kalifornien", sagt Reinking. In einer Studie, an der das Loeffler-Institut maßgeblich beteiligt war, zeigte sich, dass verschiedene H5N1-Viren "in der Lage sind, sich effizient im Eutergewebe von Rindern zu vermehren und mit der Milch in hohen Mengen ausgeschieden werden". - "Die Verbreitung der Viren erfolgt maßgeblich über den Melk-Vorgang, also etwa die Zitzenbecher", sagt Reinking. In den betroffenen Gebieten in den USA sollte man deshalb keine Rohmilch und auch keinen aus Rohmilch hergestellten Käse konsumieren.
Gab es in den USA heuer Infektionen bei Menschen?
Ja. Die US-Gesundheitsbehörde CDC berichtet von 44 Vogelgrippe-Infektionen bei Menschen seit April 2024. 19 davon betrafen Mitarbeiter von Geflügelbetrieben und 24 Mitarbeiter von Milchviehbetrieben. "Da die Rohmilch infizierter Tiere sehr infektiös ist, kann es beim Melken oder beim Reinigen von Melkständen etwa über Milchtropfen, die mit der Bindehaut der Augen in Kontakt kommen, zu Infektionen bei Arbeitern in den Betrieben kommen", sagt Reinking. Zwar handelt es sich bei den Infektionen in den USA auch um A(H5N1)-Viren, der genetische Typ ist aber ein anderer als jener in Europa. Bei allen Betroffenen gab es nur milde Symptome - darunter mehrfach Bindehautentzündungen.
Bei der Vogelgrippe gibt es immer die Befürchtung, dass die Viren sich genetisch so verändern könnten, dass sie leicht auf den Menschen übertragbar sind. Wie könnte das passieren?
"Influenza-Viren stehen bei der WHO immer ganz oben bei den möglichen Kandidaten für die nächste Pandemie", sagt Reinking. Ein entsprechendes Risiko besteht zum Beispiel dann, wenn sich etwa ein Mensch gleichzeitig mit einem humanen Grippe-Virus und einem Vogelgrippe-Virus infiziert - und es zum Austausch von genetischer Information kommt, der das Vogelgrippe-Virus dann zum Beispiel infektiöser macht. "Eine besondere Rolle spielen Schweine: Sie haben Rezeptoren für Influenzaviren von Schweinen, Vögeln und Menschen. Mehrfach-Infektionen könnten theoretisch zu einem stärker krankmachenden Virus für den Menschen führen - deshalb muss man da genau hinschauen. Für H5N1 sind Schweine nach bisherigen Erkenntnissen aber glücklicherweise wenig empfänglich."
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