Für eine vierte Impfung für die gesamte Bevölkerung sei es noch zu früh – das haben vergangene Woche die EU-Arzneimittelbehörde EMA und die EU-Gesundheitsbehörde EMA verlautet. Allgemein wird erwartet, dass auch die neuesten Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG) in diese Richtung gehen werden – sie werden für heute, Dienstag, erwartet.
„Wir sehen, dass bei gesunden Erwachsenen der Schutz vor schweren Krankheitsverläufen nach drei Impfungen anhält“, sagt die Virologin Christina Nicolodi, die nicht dem Gremium angehört, zum KURIER. „Der Schutz vor Infektionen geht zwar relativ rasch zurück, aber der Schutz vor Spitalsaufnahmen bleibt anhaltend hoch. Deshalb kann es derzeit einfach noch keine generelle Empfehlung für eine vierte Impfung geben.“
Auch der Infektiologe Herwig Kollaritsch - er ist Mitglied im Impfgremium - betonte vor einigen Tagen bei einer Online-Ärztefortbildung, dass der Schutz vor einer Hospitalisierung nach drei Impfungen "auf einem extrem hohen Niveau bleibt, und zwar sowohl bei Delta als auch Omikron".
Kein Knick in der Schutzrate
Und: "Es mehren sich die Daten, dass die Drittimpfung einen anhaltenden Schutz vermittelt. Wir wissen noch nicht wie lange, aber wir sehen bis jetzt nicht, dass sich bei einer längeren Beobachtung von mehreren Monaten plötzlich ein Knick in der Schutzrate nach unten ergibt", betonte der Infektiologe.
Gleichzeitig gehen die Infektionszahlen stark zurück – auch das spricht gegen eine breite Kampagne für eine vierte Impfung zum jetzigen Zeitpunkt, sagt Nicolodi. Sinnvoll sei aber für alle Ungeimpften, jetzt die Grundimmunisierung nachzuholen. „Sonst wird im Herbst die Zeit knapp.“ Setzt man eine Kampagne für die 4. Impfung möglichst knapp vor einer Herbstwelle an, hat man – zumindest in den ersten Wochen – auch noch einen guten Schutz vor einer Infektionsweitergabe.
Anders ist die Sicht der EU-Behörden auf die vierte Impfung bei Menschen ab 80 Jahren: Ihnen könne schon jetzt eine vierte Dosis verabreicht werden. Nicolodi setzt die Altersgrenze niedriger an: "Für immungeschwächte Personen und Menschen ab 60 Jahren kann eine vierte Impfung schon jetzt sinnvoll sein."
Antikörperbestimmung
Im Gegensatz zum Impfgremium empfiehlt sie teilweise auch Antikörperbestimmungen: "Ich habe auch schon gesunde 60-Jährige mit einem furchtbar schlechten Antikörpertiter gesehen. Ich halte einen Antikörpertest ab einem Alter von ca. 55 Jahren für sinnvoll, bei einem Wert unterhalb von 450 bis 500 BAU/ml empfehle ich die 4. Impfung schon jetzt."
Der Virologe Florian Krammer erklärte kürzlich, dass für Personen mit Immunschwäche oder sehr alte Personen die 4. Dosis "vermutlich empfehlenswert" ist, für gesunde Personen aber "wahrscheinlich nicht".
Im Herbst sei es dann sinnvoll, für die 4. Impfung an Omikron angepasste Impfstoffe einzusetzen, sagt Nicolodi, die bis dahin zugelassen sein sollten: "Wir sehen derzeit bei Omikron-Infektionen, dass sie bei Geimpften auch den Schutz gegen andere Varianten boostern. Dasselbe wird auch von den Omikron-Impfstoffen erwartet."
Kommentare