Oft trete die Tanorexie, die erstmals in den 1950er Jahren beschrieben wurde, gemeinsam mit anderen Erkrankungen auf, etwa Depression, Zwangs- oder Angststörungen.
Angefacht wird sie über die Ausschüttung von Glückshormonen durch das UV-Licht. Neben einem Hochgefühl und guter Stimmung machen Endorphine und Serotonin auch stressresistenter. "Unsere Hornhaut- und Pigmentzellen beginnen wechselwirkend durch die UV-Strahlung den Hautbräunungsstoff Melanin, aber auch Beta-Endorphine (eines der häufigsten Endorphine im Körper, Anm.) auszuschütten. Melanin legt sich bei UV-Lichtexposition über unsere Hornhautzellen, um die Haut vor UV-Strahlen zu schützen. Im Zuge dessen werden die Beta-Endorphine gebildet", erklärt Rainer.
Studie mit Mäusen belegt: Sonne kann süchtig machen
Eine US-Studie mit Mäusen zeigt, dass bereits nach zwei Wochen täglichen Sonnenbads von etwa 30 Minuten eine Gewöhnung mit Suchtpotenzial entstehen kann. In der Untersuchung des Massachusetts General Hospital in Boston wurden Mäuse sechs Wochen lang täglich einer Dosis UV-Strahlung ausgesetzt, die beim Menschen einem etwa 20- bis 30-minütigen Sonnenbad in der geografischen Höhe von Florida entspricht.
Bereits nach einer Woche stiegen bei den Tieren die Beta-Endorphinwerte im Blut an – und blieben während der Versuchsdauer erhöht. Zudem konnten bei Abstinenz von UV-Licht Entzugserscheinungen nachgewiesen werden. Nach den sechs Wochen sanken die Endorphinwerte innerhalb einer Woche wieder auf die Ausgangswerte ab.
Auch beim Menschen folgt die Tanorexie im Extremfall den typischen Merkmalen anderer Suchterkrankungen. Betroffene wollen sich immer häufiger und länger sonnen, andere Aktivitäten rücken in den Hintergrund. Ist das Sonnenbad oder der Besuch im Solarium nicht möglich, kann es zu Entzugssymptomen wie Unruhe kommen. Auch sozialer Rückzug, Ängste und Depression können eine Folge sein.
Langfristige Schäden der Haut
Neben der Suchtproblematik kann Tanorexie die Haut langfristig schädigen. Zu viel Sonnenlicht, insbesondere in der Kindheit und der Jugend, ist mit einem erhöhten Risiko für schwarzen Hautkrebs verbunden. "Das über die Lebenszeit angehäufte UV-Licht schädigt nach und nach unsere Gene vor allem in den Hornhautzellen, sodass etwa ab der zweiten Lebenshälfte dosisabhängig der weiße Hautkrebs beginnen kann", betont Rainer.
Weitere UV-Schäden wie rote Äderchen, eine Vergröberung des Hautreliefs, Mitesser oder Altersflecken seien zwar harmlos und oft nur optisch störend. Ein vernünftiger Umgang mit der Sonne könne sie aber verhindern, so Rainer.
Schönheitsideal hat Einfluss
Eine große Rolle spielt das Schönheitsideal und der Selbstwert. Oft besteht eine große Abweichung zwischen der eigenen Wahrnehmung und der Einschätzung anderer: Während Betroffene ihre Haut als zu hell wahrnehmen, weist das Umfeld sie meist auf das genaue Gegenteil hin. Zwar werde das vorherrschende Schönheitsideal immer noch häufig mit gebräunter Haut in Zusammenhang gebracht. Hautarzt Rainer beobachtet allerdings einen Wandel. "Der Trend geht immer mehr weg von einer 'gesunden Bräune' hin zu makelloser Haut, damit die Haut gesund und vital aussieht. Es gibt viele junge Menschen mit gesunder Haut, die normale Haut noch besser und schöner machen möchten. Allerdings kann sich das Schönheitsideal schnell wieder ändern."
Zur Therapie braucht es laut Rainer ein Zusammenspiel aus Dermatologen, die anhand des Hautbefundes und des UV-Konsums ein Suchtrisiko orten, sowie Psychiatern, um mögliche zugrundeliegende psychische Probleme zu erkennen und zu behandeln. Nach der Einsicht der Betroffenen stehen die Entwöhnung sowie die hinter der Sucht liegende Problematik etwa hinsichtlich des Schönheitsideals im Vordergrund.
Kommentare