Sarkopenie ist die Kernkomponente von dem, was man landläufig unter Gebrechlichkeit versteht: Einen Menschen, der langsam geht, nicht mehr so viel Kraft hat, schnell erschöpft ist – es bei Grün nicht mehr über den Zebrastreifen schafft. Aus Studien wissen wir, dass die Ganggeschwindigkeit mit der Lebenserwartung korreliert. Leben ist bewegen: Mehr als die Hälfte unserer Körpermuskulatur steckt in den Beinen. Das verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Kraft dort aufrechtzuerhalten.
Mobil zu sein hat im Alltag viel mit der Aufrechterhaltung von Selbstständigkeit zu tun …
Sie ist das Herzstück unserer Selbstständigkeit. Wenn sie schwindet, bedingt das Einschränkungen in vielen Lebensbereichen. Die Menschen gehen nicht mehr hinaus, verlieren soziale Kontakte und das Erleben von Selbstwirksamkeit. Gebrechlichkeit allgemein führt auch dazu, dass Menschen häufiger stürzen, dass sie anfälliger werden für Komplikationen bei Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalten. Je gebrechlicher man ist, desto stärker geht die Lebenserwartung statistisch gesehen zurück. Und Gebrechlichkeit bedeutet auch, dass nach einer akuten Krankheit die funktionellen Einbußen enorm sind. So kann es passieren, dass ein Mensch nach einer Lungenentzündung pflegebedürftig wird, denn bei solchen akuten Erkrankungen können ältere Menschen innerhalb von drei Tagen bis zu 10 Prozent der relevanten Muskelmasse verlieren.
Worauf sollten sportelnde Seniorinnen und Senioren achten?
Wer trainiert, braucht Eiweiß. Dazu kommt, dass der tägliche Eiweißbedarf im Alter ohnehin höher ist und bei 1 bis 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht liegt. Ältere Menschen sollten also durchaus Zusatznahrung, etwa Molkeprotein, zu sich nehmen, gerade wenn sie trainieren. 50 Prozent des Eiweißes unseres Körpers sitzen in der Muskulatur. Und Stichwort Abnehmen im Alter: Der Muskel ist auch das größte Organ das Fett und Zucker verbrennt. Auch Vitamin D fördert die Muskelkraft, nicht nur – wie vielen bekannt – die Knochengesundheit. Ältere Menschen, die Vitamin D nehmen, stürzen um bis zu 20 Prozent weniger.
Welche Vorteile kann Yoga im Alter bieten?
Studien zeigen, dass Yoga das Sturzrisiko senken kann. Es gibt auch Untersuchungen, die positive Effekte auf die Lebensqualität und bei demenziellen Erkrankungen attestieren. Es gibt aber zu wenig harte Daten, um zu sagen: Yoga ist der Sport fürs Alter. Yoga eignet sich gut, um Koordination und Gleichgewicht zu stärken und Gangsicherheit ins Leben zu bringen. Wesentlich ist, dass beim Yoga die Kräftigung der Muskeln nicht zu kurz kommt.
Wo raten Sie zur Vorsicht?
Bevor man im Alter neu mit Sport beginnt, sollte man sich medizinisch durchchecken lassen. Damit man nicht beispielsweise wegen eines schlecht eingestellten Blutdrucks in der Bewegung plötzlich umkippt. Hat man bereits Vorerkrankungen, ist eine ärztliche Absprache vor Beginn sinnvoll und notwendig. Generell gilt: Sport kontrolliert ausüben, sich Trainingspausen gönnen – ich rate zu einem entsprechenden Training zwei bis maximal drei Mal pro Woche –, und nicht über die eigenen Grenzen gehen.
Kann man, pointiert formuliert, auch mit 70 noch einen Kopfstand lernen?
Ich denke schon. Wenn man derart akrobatische Dinge macht, natürlich immer unter professioneller Aufsicht. Man sollte sich aber auch im Alter noch etwas zutrauen, ganz klar. Jede Form von Training ist eine gewisse Art von Überwindung, der eigene Wille ist dabei der größte Erfolgsfaktor.
Welchen Vorteil hat Sport im Gruppensetting?
Die Motivation ist in der Gruppe definitiv gesteigert. Sich einer Gruppe verpflichtet zu fühlen, kann dazu führen, dass man die Sporttermine eher einhält und den inneren Schweinehund besser überwinden kann. Ältere Menschen, die morgens oder auch nachmittags lange schlafen, viel Zeit auf der Couch verbringen und kaum Sozialkontakte haben, bauen körperlich und kognitiv schneller ab. Im Alter ist es wichtig, sozial eingebunden zu bleiben. Denn Einsamkeit und Isolation im Alter können drastische Folgen, etwa Depressionen oder eingeschränkte Hirnleistung, haben.
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