Sensibles Gelenk und komplexe Verletzungen
"Beim Skifahren wirken teils enorme Kräfte. Bei Stürzen kommt es zu einer Belastung des Gelenks durch ruckartige Verdrehungen des Beins", erklärt Albrecht. Fuß und Sprunggelenk sind gut im Skischuh fixiert, das Knie ist das nächste bewegliche Gelenk, das tangiert wird.
Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit ist die Zahl der wintersportbedingten Knieverletzungen in den vergangenen Jahren annähernd gleichgeblieben. Laut Albrecht hat sich aber die Bandbreite der Patientinnen und Patienten vergrößert. "Grundsätzlich behandeln wir Betroffene aller Altersklassen, auch Kinder. Allerdings gibt inzwischen mehr ältere Menschen, die körperlich fit genug sind zum Skifahren. Damit sehen wir auch mehr Ältere, die sich dabei verletzen." Auch Personen mit künstlichen Hüft- und Kniegelenken können heute zum Teil wieder wintersportlich aktiv sein – und sich eben auch Knieblessuren zuziehen.
Mit oder ohne OP?
Die Behandlung richtet sich nach der Art der Verletzung. "Man kann sich das Knie auch verdrehen, wenn man mit angeschnallten Skiern im Stehen umfällt", weiß Albrecht. In solchen Fällen sind meist nur einzelne Kniestrukturen lädiert. "Wenn zum Beispiel 'nur' das Seitenband betroffen ist, kann man in der Regel konservativ, also ohne Operation, therapieren." Komplizierter wird es bei Kombinationsverletzungen: "Passiert ein Sturz bei hoher Geschwindigkeit, können gröbere Verletzungen auftreten, die das Knie umfassend betreffen. Dann ist eine Operation oft unumgänglich."
Seitens der Hersteller heißt es meist, dass moderne Skimodelle den Sport sicherer gemacht haben. Albrecht teilt diese Aussage nicht ganz: "Das Skifahren ist durch Carvingski zwar einfacher geworden, aber eben auch schneller." Insbesondere für ungeübte Skifahrer könne das verhängnisvoll sein. "Und Verletzungen bei hoher Geschwindigkeit fallen eben meist gröber aus." Damit es erst gar nicht dazu kommt, empfiehlt Albrecht, schon Monate vor dem Skiurlaub gezielt Muskeln, Kraft und Ausdauer zu trainieren. Unmittelbar vor dem Pistenspaß ist gewissenhaftes Aufwärmen Pflicht.
Bei Verletzungen des Kreuzbandes hört man oft, dass vorschnell operiert wird. Albrecht erklärt: "Kreuzbandverletzungen können einen operativen Eingriff erforderlich machen – das muss aber nicht zwingend so sein." Ein Faktor sei, wie stabil das Knie nach dem Riss ist. "Es gibt Patienten, die ohne vorderes Kreuzband ein stabiles Kniegelenk haben. Ist das nicht der Fall, sollte man auf alle Fälle operieren." Auch der Hintergrund der Patientinnen und Patienten spielt eine Rolle: "Wenn hohe sportliche Anforderungen bestehen, tendiert man eher zu einer Operation."
Mit kleinen Schnitten zurück zur großen Schritten
Bei Operationen greift man heute auf minimalinvasive Verfahren zurück. Es werden winzige Schnitte vorgenommen, über die kleinste Instrumente ins Knie eingeführt werden. "Bei Kreuzbandverletzungen achtet man inzwischen vermehrt auf sogenannte periphere Instabilitäten. Das heißt, es werden nicht nur die Kreuzbänder versorgt, sondern auch Instabilitäten rundherum." Das führe zu besseren OP-Ergebnissen und verringere das Risiko eines erneuten Risses.
Die OP-Nachsorge orientiert sich an der behandelten Stelle. So muss man nach einer Kreuzband-OP für eine gewisse Zeit mit Krücken gehen, um das Knie nur teilweise zu belasten. Wird der Meniskus genäht, ist ebenfalls eine reduzierte Belastung angesagt, zusätzlich wird die Beweglichkeit des Knies mit einer Schiene für einige Wochen eingeschränkt. "Physiotherapie ist zu empfehlen", betont Albrecht. "Die frühzeitige Aktivierung der Muskulatur führt zu einer schnelleren Remobilisierung, was wiederum eine Rückkehr zu alten Gewohnheiten ermöglicht."
Übrigens: Nicht nur beim Skifahren kann das Knie ordentlich ramponiert werden. Auch Sportarten wie Fußball, Handball oder Basketball, die ruckartigen Bewegungen und Körperkontakt beinhalten, sind risikoreich fürs Knie.
"Das Knie gehört bewegt"
Um das Knie im Alltag gesund zu halten, rät der Experte zu regelmäßiger körperlicher Betätigung. "Das Knie gehört bewegt – besonders kniefreundlich sind Sportarten wie Radfahren, Nordic Walking oder Schwimmen."
Auch Menschen mit Abnützungserscheinungen im Gelenk sollten Bewegung nicht scheuen und das Knie keinesfalls übermäßig schonen. Langfristig schaden kann dem Knie auch Übergewicht. Fehlstellungen können ebenfalls dazu führen, dass das Knie bei jedem Schritt einseitig und/oder übermäßig belastet wird.
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